Die Superkarotte

Jetzt drehen sie ab, die Briten. Erst gehen sie aus der EU, dann blenden sie dänische Torleute an, tummeln sich in einem Corona-Hochgebiet mit 60.000 auf engstem Raum, beschimpfen ihre eigenen Leute, nur weil sie nicht Smith oder Brown heißen und keine Elfmeter schießen können. Und nun etikettieren sie auch noch Karotten um. Schauen Sie mal genau hin, was da auf der Packung steht. Fundstück aus Facebook. Ich hoffe es ist keine Fälschung oder Teil dessen, was man britischen Humor nennt.

Nachtrag, einen Tag später: Es ist eine Fälschung, bitte in den Kommentaren nachlesen.

British Carrots heißt es da. Sie seien sweet & crunchy. Also süß und knackig wie sonst auf dieser Insel nur David Beckham. Sie seien sorgfältig angebaut und sowohl roh als auch gekocht – so lese ich jedenfalls das letzte Wort – erstklassig zu essen. Daneben klemmt unverkennbar der Union Jack. Randbemerkung: Mit Verwunderung stellen wir fest, dass die Deutschen und die Briten, trotz identischer Wurzel des Wortes, einmal das doppelte R bemühen und einmal das einfache.

Das ist Food, made and harvested in Britain, irgendwo in Cornwall, so mutmaßt man, wo die Sonne scheint und Prinz Charles in (Kontroll-)Einheit mit Paul McCartney, das woke* Pärchen Demeter (The DeMeters) auf Insulanisch sozusagen, „Bio“ festlegen. Nie sahen diese Möhren so was wie Dreck oder Chemie oder sonst was Böses wie die englische Yellow Press oder Prinz Andrew.

woke* ist schwerstmodern, natürlich englisch und bedeutet so etwas wie „wachsam sein“. Wachsam ist man bei allem, was irgendwie nicht korrekt ist. Wenn ich hier den Begriff Zigeuner erwähnte ohne einen relativierenden Kontext, würde die woke (ja, das gibt es als Adjektiv der Variante „unbeugsam“, was zu woke passt) Community mich attackieren. Abfällige Bemerkungen über Schwule oder Farbige oder die Lufthansa, die Frau und Mann als solche nicht mehr begrüßt, brächten das Gleiche. Beliebtes Mittel: cancel culture.

Gut, diese Eloge über die klassische englische Karotte habe ich etwas zu hoch gezogen. Sie sehen schon, um was es geht. Denn unten rechts steht, woher diese Karotten kommen. Sie kommen nicht aus Rumänien, sie kommen auch nicht aus Aquakultur oder irgendwelchen riesengroßen Kunstsaatfabriken unter spanischem Plastik. Alles wäre noch zu ertragen.

Die kommen aus Tschernobyl. Das ist ein landwirtschaftlich hochstehendes Obst- und Gemüseanbaugebiet in der Ukraine, definitiv veredelt im April 1986.

Na, dann …

Übrigens, heute ging’s um Gemüse aus der Ukraine. Morgen geht’s um Obst aus Österreich. Und das erste Beispiel des heutigen Homonym-Zehnzetts spielt dem auch in die Karten.

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In eigener Sache
Die tägliche Gabe an Homonymen ziehe ich weiter durch. Jeden Tag zehn. Indes: Allmählich gehen mir die Homonyme aus. Wahrscheinlich schaffe ich es nicht, bis zum Ende dieses Tagebuchs am 29. Juli 2021 in 10 verbleibenden Beiträgen mit jeweils 10 tagesfrischen …  Oder doch, wird sich zeigen.

__________ 10 TAGESFRISCHE HOMONYME __________

  1. hasenrein (Adverb der Zufriedenheit etwas ist besonders sauber abgelaufen, steht übrigens in seiner Negierung im Duden: „nicht ganz hasenrein“) vs. Hasen, rein! (ruft der Bauer vor dem Gewitter und lockt mit den Karotten aus der Ukraine)
  2. Eindruck (die Vorstellung, die man von jemandem hat) vs. Eindruck (das, was passiert, wenn man die Finger in feuchten Beton steckt). Mit Dank an Klaus H.
  3. Roth (Stand in Franken mit gleichnamigem See für Triathleten) vs. Rot (Nachbardorf von St. Leon in BaWü; im Zuge der Eingemeindungen gerne zusammengefasst zu St. Leon-Rot) vs. rot (Farbe). Wird nachgetragen bei den „Geografischen“ …
  4. überzogen (das arme Konto!) vs. überzogen („… mit den Ansichten wird er nie eine Rolle spielen …“). Mit Dank an Melanie S.
  5. Tasten (hat das Klavier, die Tastatur auch) vs. Tasten (haptischer Vorgang). Mit Dank an Klaus H.
  6. Anrainer (wohnt auch an diesem Rain, in dieser Straße, in der Siedlung) vs. an Rainer (Erinnerung, einen Brief an den Freund zu schreiben)
  7. Ohr (hör mal zu!, mach auf!) vs. Ohr (Verbindungselement im Straßenbau, die Autobahnen verbinden sich mit Ohren)
  8. Stecken (Stab, steckt in Bayern oft ein Fisch dran, zum Steckerlfisch) vs. stecken (Kerle, wo steckst denn?). Mit Dank an Klaus H.
  9. ausdrücken (macht der Poet mit seiner Sprache) vs. ausdrücken (macht der Teenager mit seinem Pickel)
  10. Hochzeit (das dicke Ja für den Rest des Lebens) vs. Hochzeit (sprich: Hoch-Zeit, die beste Zeit des Lebens)

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Homonyme auf deutschmeisterei.de – Der Stand der Dinge
Ich habe die Homonyme abgekoppelt von den täglichen Geschichten. Ich werde nur noch 10 Homonyme pro Tag neu erscheinen lassen. Stand heute: 883. Das Haupt-Homonyme-Geschehen finden Sie auf einer eigenen Seite mit der URL https://www.deutschmeisterei.de/homonym_total/ oder auch ω Homonyme_total.

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