Wenn etwas zum Heulen ist …

160208_MehrAlsEhrlich gesagt, geht es mir ziemlich an meinem rotgesprenkelten Häschenkostüm vorbei, mit dem ich heute Morgen aufgestanden bin: In Mainz wird also der Karnevalszug abgesagt Wegen Wetters. Nun gut, das Leben geht weiter. Dachte ich auch, als ich diese Meldung in Spiegel.de las. Aber dann stolperte ich über eine Formulierung, die aufzuspießen sehr reizvoll ist, kommt sie doch in jedem Roman vor, den zu bearbeiten ich die Freude habe.

Der Mainzer Oberbürgermeister sagt, es sei mehr als schade, dass seine Bürgerlein nicht zum Zug können. Mehr als schade? Also was? Superschade, affenidiotisch schade, jammerschade, jammerstschade, zum Kostüm-in die-Ecke-Knallen schade, hammerschade? Ich versetze mich mal in die Seele eines Mainzer Karnevalisten. Wäre es nicht feiner zu sagen: Es ist zum Heulen …

Sie finden dieses „mehr als“ häufig, ja sie finden es mehr als häufig: Er war mehr als enttäuscht, dass Helene nicht zum Zug (Bahnhof) kam. – Mutter hatte sich mehr als Mühe gegeben, ihrem Sohn einen Kuchen mit eingebackener Feile zu bringen. – Er hatte mehr als mit den Zähnen geknirscht. Sie sehen schon, „mehr als“ will etwas steigern. Es will sagen, dass schade sein und sich Mühe geben nicht ausreichen.

Und was sagt es wirklich? Nichts. Es sagt nur, dass der Schreiber sich nicht die Mühe gemacht hat, eine gute Formulierung zu finden. Eine nicht floskelhafte. Sie können jetzt einwenden, dass man das doch so sagt und es allgemein verstanden wird.

Richtig! Aber um mit seiner Sprache an die Öffentlichkeit zu gehen, um gar Geld zu fordern für ein Buch, erwarte ich, dass der Autor mehr tut als das zu plappern, was man mal so sagt. Der geschätzte Sprachlehrer Wolf Schneider hat dieses Ringen um die beste Formulierung mehr als(!) treffend formuliert: Einer muss sich quälen, entweder der Autor oder der Leser. Es möge sich bitte der Autor quälen!

In eigener Sache Dieser Satz von Wolf Schneider ist eines der Motti für meine Arbeit als Lektor. Sie werden ihn sehr prominent noch einmal lesen, wenn ich Ihnen in dieser Woche meine renovierte Netzseite www.worttaten.de präsentiere.

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