Immer wieder erfrischend, wie man sich bei einem Berufsstand doch täuschen kann. Mein Friseur, seit Wochen nicht mehr gesehen (hallo, Stefan!), lässt mich hängen mit Zottelhaaren und einem Bart, aus dem ich bald die Speisen der Krise drehen und zu einem Eintopf verarbeiten kann.
Und einer seiner regionalen Innungschefs sagt einen wunderbaren Satz.
Wir sind ein Berufsstand, wo man von der Hand in den Mund arbeitet.
Hören Sie mal, vor Wochen, sagen wir mal Ende Februar 2020, wäre dieser Satz überhaupt nicht aufgefallen. Heute denkt man sofort an Kontakte zu anderen Menschen – andere Menschen sind immer infiziert in der eigenen Fantasie –, und ein Berufstand, der von der Hand (in diesem Falle am Haar anderer) in den Mund lebt, gehört in Quarantäne. So haben sich die Zeiten geändert, seit dieses Scheiß-Virus über uns wacht.
Noch mal genauer: Vor acht Wochen hätte ich den Satz vielleicht als irgendwie auffällig in meinen Repertoire-Ordner genommen, ihn aber wahrscheinlich irgendwann wieder gelöscht. Nicht gut genug für Sie, verehrte Leserïnnen (diese charmante Form der Genderung habe ich heute in der taz gefunden). Bitte beachten Sie an dieser Stelle meine hohen Ansprüche an mich; wollte das nur mal betonen ohne dass Sie, verehrte Leserïnnen(!, gleich noch mal), mein Erröten bemerken.
Aufgefallen wäre das wo in diesem Satz. Ich hätte geschrieben: Der darf das! Das sei im Süden, vor allem im nahen Baden-Württemberg üblich. Ein Lob auf das Medium Nürnberger Land, das die Umgangssprache nicht in Offizial-Deutsch verbessert.
Dann hätte ich mich eventuell noch lustig gemacht über das falsche Verständnis des Friseurhandwerks. Der Friseur lebe ja nicht von der Hand in den Mund, sondern von der Hand am Haar und am Haupt.
Das wäre es gewesen, in vorviralen Zeiten.
Ihnen eine beste Woche!