Wenn Kinder gut parieren

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Da gab es am Wochenende ein herrliches Stück Rinderlende, zubereitet als Fondue. Das Stück lag dort bräsig in der Küche, und meine Mutter sagte: Das muss aber noch pariert werden. Zwölf Kinderaugen schauten sie an – wobei natürlich das Wort Kinderauge relativiert werden muss: Die Kinder sind alle über 50.

Keines dieser Kinder aber wusste, was parieren bedeutet, abgesehen einmal von den üblichen Erklärungen, die der Duden parat(!) hält: Im Klingenkampf wird ein Angriff pariert – ein Pferd pariert, wenn man es in eine andere Gangart bringt – der Torwart pariert einen Elfmeter – Kinder parieren, wenn sie den Anweisungen einer Altvorderen folgen, in diesem Fall: das Fleisch gut zubereiten.

Die Variante parieren im Sinne von ein Stück Fleisch herrichten steht nicht im Duden. Das stellt der einzige Sohn meiner Mutter, der in seinem iPhone eine Duden-App hat, sofort fest. Die Mutter greift daraufhin zur Gourmet-Bibliothek in der Küche – und zieht ein Lexikon mit Küchenbegriffen heraus, aus dem dieses Bildchen stammt. Und dort steht es: Fleisch- oder Fischstücke zur Zubereitung herrichten, zum Beispiel Fett entfernen, Haut abziehen, Sehnen herausschneiden. Klingt wie ein Drehbuchauszug zu den Schweigsamen Lämmern oder die Kurzbeschreibung einer RTL2-Dokumentation. Ist aber ein Zitat aus einem alten Buch.

140127_parErst die zweitstärkste Waffe meiner Handbibliothek, Wahrigs mehr als tausend Seiten starkes Deutsches Wörterbuch, weist parieren auf Seite 1115 diese Bedeutung zu, die Sie links sehen: als Zurechtschneiden von Fleisch.

Das Wort kommt natürlich aus dem Lateinischen, ist ein einfaches Verb, es gibt sogar ein cenam parare, Essen zubereiten. Dies meint aber eher wirklich den reinen Kochvorgang. Das von meiner Mutter wieder zum Leben erweckte Verb bezieht sich nur auf die Fleischvorbereitung, nicht das Decken des Tisches.

Die Kinder parierten – die Anweisung (der Akkusativ ist der Fall für das Objekt!) – und parierten: das Fleisch.

Aber nun mal ehrlich: Wenn Ihnen heute jemand sagt, die Kinder parierten gut, sind Sie sicherlich entsetzt über die Erziehungsmethoden der Eltern. Kinder, die parieren, haben gewiss einen harten Drill durchlaufen, sie sind mit geradezu militärischen Methoden erzogen worden.

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