Na, -gate’s noch?

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Sie wissen, dass das Blog deutschmeisterei.de, das Sie gerade lesen, ein erklärter Gegner der Anglizismen ist. Wir bemühen uns, in diesen Texten keinen Anglizismus zu schreiben, und wir bemühen uns überhaupt, auf Anglizismen zu verzichten. Immer wieder spießen wir diese Unart des Deutschen auf, unkontrolliert Wörter aus dem Englischen zu entlehnen.

Und so darf es Sie heute schon wundern, wenn wir den Anglizismus des Jahres mit leichtem Beifall versehen. Anglizismus des Jahres?, werden Sie fragen. Ja, seit geraumer Zeit kürt eine Jury aus Wissenschaftlern um den  Anglizisten Anatol Stefanowitsch das ihrer Meinung nach wichtigste oder schönste Lehnwort des Jahres.

Die Damen und Herren wollen damit dem Konservativismus entgegenwirken, den sie beispielsweise dem Verein Deutsche Sprache oder der Deutschen Sprachwelt unterstellen. Wenn dieses Tagebuch – in dieser Beziehung – ebenfalls des Konservativismus‘ gezichtigt würde … nur zu! Beschwerdebriefe bitte an meine Agency, die mich represented, wenn ich gerade in einem Meeting bin. Handy-Calls nur, falls Sie mir mehr Output und besseren Profit bei meiner Performance worldwide  announcen können. 

Im Jahr 2012 lautete der Anglizismus des Jahres Crowdfunding, oh Graus! – im abgelaufenen ist es das Suffix -gate.

Nun darf man mit der Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfdS) der Meinung sein, das Wort sei ja nun nicht gerade aktuell. In einer Pressemitteilung sagt die GfdS: Herausgekommen ist in diesem Jahr mit dem Suffixoid -gate allerdings ein Wort (besser gesagt: Wortbestandteil), das es im Deutschen bereits seit 1972 gibt, entlehnt im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal. Im Anglizismenwörterbuch von Broder Carstensen aus dem Jahr 1993 wird -gate mit der allgemeinen Bedeutung „Skandal“ auch bereits als im Deutschen produktiv und reihenbildend beschrieben.

Gut, das stimmt. Besser wäre eventuell der Whistleblower, der mit Herr Snowdon über uns hereinbrach. Auch das Selfie hält seit ein paar Monaten so etwas wie einen Siegeszug – bei den ganz Jungen.

Sie wissen nicht, was ein Selfie ist? Müssen Sie auch nicht, erklärt sei es dennoch kurz: Nehmen Sie dazu bitte Ihr smartes Mobiles in die Hand, aktivieren Sie die Kamera und machen Sie ein möglichst dämliches Bild von sich. Danach öffnen Sie bitte Ihre Facebook-Seite oder Ihr Twitter-Programm – laden Sie das Bild hoch. Nun ist aus dem beknackten Selbstporträt ein Selfie (von englisch: self, selbst) geworden, das für alle sichtbar ist.

Und das Suffix -gate? Ich mag es deshalb, weil es seit Nixons Entgleisung weltweit in aller Munde ist. Weil es sich – Achtung, übles Wortspiel! – entwässert hat, grundlegend. Und seit mehr als 40 Jahren hinter alles gehängt werden kann, das wie ein Skandal riecht. In Bayern fallen reihenweise Kühe um, weil die Bauern schlecht gedüngt haben? Kuh-gate! Die Grünen ziehen unter anderem nicht ins Parlament ein, weil sie einen Veggie Day fordern? Veggie-Day-Gate.  Einem Minister entfleuchen Drohnen? Drohnen-gate. An Flugsteig 13 (Gate 13) des Kasseler Flughafens rutscht eine Seniorin auf einer Bananenschale aus? Gate-gate!

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