Ach, kommt!

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Sie sehen, um was es hier geht. Es geht um das Verb wichsen. Der Auszug aus dem Online-Duden zeigt die Bedeutungen dieses Verbs. Die – wie der Duden schreibt – derbe Bedeutung unter Punkt 3, Kommentar überflüssig.

Die zweite Bedeutung ist wohl die am wenigsten verbreitete, da sehr landschaftlich. Ich habe lange am Tegernsee ge- und dort manche Situation erlebt, in der man hätte ich wichs dich gleich sagen können – ist nie passiert. Ich halte die zweite Bedeutung für eher vernachlässigenswert, wobei ich mir vorstellen kann, dass in Liedern des sehr geschätzten Hubert von Goisern, eines Oberösterreichers mit herrlicher Mundart, das Wort aufscheint.

Vergessen wir nicht den Wichs, Plural: die Wichsen, die Ausgehkleidung korporierter Studenten, deren Wortherkunft eben auf das Geputzte, Gewienerte zurückgeht.

Warum ich mich heute mit diesem Wort befasse, werden Sie fragen. Weil ich mein Wort von gestern – bitte blättern Sie auch zurück bis zum Eintrag vm 7. Januar, dann lesen Sie die Chose – brechen muss. Es geht, leider Gottes, noch einmal um Herrn Preussler und seine Kleine Hexe. Nachdem diesem schönen Buch vom Ende der Fünfziger Jahre das Wort Neger abhanden kam in einer groß angelegten Verbeugung vor dem Zeitgeist, geht ihm nun ein zweites flöten: eben das Verb wichsen – in seiner ersten Bedeutung kommt es dort vor. Das schreibt der Spiegel heute.

Ich bin baff. Ich bin baffst!

Stellen wir uns den Vater vor, der seinem Sohn – der mag sechs, sieben oder acht Jahre alt sein – das Buch vorliest. Der Vater muss das Wort sowieso erklären. Wichsen ist kein Wort wie gehen – brechen – laufen – raten. Wichsen ist speziell. Wenn er meint, dem Filius alle drei Bedeutungen des Worts erklären zu müssen – so sei es! Wenn nicht, sei es eben so! Wenn Sohnemann das Buch allein liest und das Wort nicht kennt, wird er fragen. Sollte er es in allen Bedeutungen kennen, hat er eine frühe Street Credibility(!), ein Straßen-Schulhof-Wissen, das ja nicht schaden muss. Na, und? Schaden wird er nicht nehmen. Rot werden bei dem Wort nur jene, die verschämt sind. Hey, den Preussler haben Generationen von Omas vorgetragen. Ist er gar ein Mit-Auslöser für eine böser werdende Welt? Für Verrohung?

Bleiben zwei Anmerkungen: (1) Der Spiegel schreibt, beinahe entschuldigend: Vielleicht ist die veränderte Bedeutung des Worts „wichsen“ ja ein Beispiel für sprachliche Weiterentwicklung, das auch denen einleuchtet, die „Neger“ für einen zwar altmodischen, aber durchaus noch Kinderzimmer-tauglichen Begriff halten. Richtig verstanden? Dieser Eingriff ist nachvollziehbar? Nein, ist er nicht. Vielleicht nehmen sich die Eltern die Zeit, dem Nachwuchs anhand dieses Worts zu erklären, wie sich die Bedeutungen von Wörtern wandeln. Dass wichsen in den Bedeutungen putzen und verhauen das Jahr 2050 nicht erleben werden und der dritten Bedeutung weichen, ist mir vollkommen klar. Ist aber kein Grund, den Kniefall schon vor dem Verfall zu üben.

Bildschirmfoto 2013-01-11 um 13.21.04Übrigens, und dies ist Anmerkung (2), hat auch das Wort kommen eine durchaus sexuelle Konnotation, wie es auch der Duden festhält, unter Punkt 17 der Konnotationen dieses Verbs. Sollten wir nicht dazu übergehen, Bücher für Kindern danach zu durchforsten, um keine missverständlichen Zweit-Deutungen in Sätzen wie Ach, kommt! – Er kam nie wieder – Sie kam äußerst gern zu legen?

Und noch ein Aperçu: Lesen Sie doch mal, was ich vor einem Jahr gefunden habe … Honni soit, qui mal y pense …

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