Fisimatenten

Lass das Wort „Fissematenten“ bitte auch nicht sterben!, schreibt eine Freundin und schickt als Beleg der Existenz des Worts im Ruhrpott – und für die regionale Schreibweise – ein Bildlein mit, das ich gerne zeige. Für alle, die nicht zwischen Duisburg und Dortmund leben: Sarret ährlich! könnte Probleme bereiten; wenn Sie es aber lesen wie ein mit Stacheldraht im Mund gesprochenes Sag es ehrlich! verstehen Sie die Mundart.

Natürlich stirbt Fisimatenten (so die korrekte Schreibweise, werte Dame, mit einem S nur) nicht. Das Wort gehört seit Jahren zu meinen Lieblingswörtern. Mach doch keine Fisimatenten!, steht für Stell dich nicht so an! So versteht es jeder. Im Ruhrgebiet versteht man es als Drohung. Wobei ich glaube, dass der Norden dieses Wort öfter nutzt als der Süden.

Eine Zeit lang dichtete der Volksmund die Etymologie dazu: Der Besatzungssoldat im Rheinland, französischer Nation, wollte abends – wir schreiben das Ende des 18. oder den Beginn des 19. Jahrhunderts – zum deutschen Liebchen und meldete sich beim Posten ab mit dem Satz: Je vais visiter ma tante (Ich gehe meine Tante besuchen), wahlweise: … ma tente … (mein Zelt). Aus „visiter ma tante/tente“ habe sich „Fisimatenten“ im französisch-rheinischen Dialekt gebildet. Schöne Geschichte, da schmilzt das Herz – der Soldat auf Freiersfüßchen!

Leider lässt sich dieser Herzschmerz sprachwissenschaftlich nicht halten. Das Herkunftswörterbuch in seiner 60er-Jahre-Ausgabe rätselt um den Begriff; er stehe für leere Flausen, Ausflüchte, Faxen. Die Herkunft des seit dem 16. Jahrhunderts in zahlreichen zum Teil stark voneinander abweichenden Formen bezeugten Ausdrucks ist dunkel. Darin, im Dunkel, tappte die Etymologie des letzten Jahrhunderts. Aber dass der Ausdruck seit dem 16. Jahrhundert, also 200 Jahre vor den Tete-à-tetes im Rheinland, belegt sein soll, nährt  Zweifel am Zusammenhang zwischen Liebschaft und dem Wort.

Neuerdings geht die etymologische Forschung davon aus, dass das Wort aus dem Mittelalter kommt und damit arg Lateinisch gründelt: Vise patentes!, sagten Zöllner, Kontrolleure, Wachleute zu Reisenden an den Stadttoren: Lass mich die Papiere sehen! Bürokratische Hindernisse plus ein Grund, die Hand aufzuhalten, also – und nicht le soldat amoureux.

Schade eigentlich.

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