Was Luther leider nie sagte

131126_WürstchenIn unserer kleinen, feinen Serie Redensarten, bildlich gesprochen zeigen wir Ihnen heute den ersten (und sicherlich auch: letzten) Teil. Wer will so etwas schon sehen? Wer will denn schon sehen, wie Wurst auf dem bratwurstfettverschmierten Teller liegt?

Also ein Wort zur Entstehungsgeschichte des Bildchens: Gestern Abend gab es – wir befinden uns im Stammland feinster Derbkost – Nürnberger Würstchen mit Kraut; hier sagen sie Kraut, nicht Sauerkraut, Würschtl mit Kraut, also. Zwanzig lieferte der Edeka des Vertrauens (dieser hier), neunzehn schafften wir. Eines blieb. Dann sagte die Holde mit Blick auf den Teller: Schau mal, ein armes Würstchen!

Komplett berufsbeschädigt, wie ich nun mal bin, machte ich als erstes sofort ein Foto der Wurst und zweitens mich auf zu den Lexika, um der Redensart nachzugehen. Ich hoffte auf etwas sehr Verstecktes, Tief- oder Abgründiges, auf eine Sensation, auf so etwas wie: Luther (1483-1546) krümmte sich unter Blähungen, wenn der Würschtl mit Kraut aß, zwang sich aber dazu, sie zu verzehren aus Respekt vor den Granden der Stadt und sagte dann vom Toilettensitz in Albrecht Dürers (1471-1528) Haus aus zum noch ungeborenen Goethe (1749-1832) den legendären Satz: Ich armes Würstchen.

Oder irgendwas mit Canossa (Gang), Jesus‘ Jüngern (noch eine Gang) oder den Chinesen (I-Ging). 

Pustekuchen. Der Redensarten-Index im Internet sagt: … umgangssprachlich; Diese erst seit dem 19. Jahrhundert belegte Wendung ist vielleicht an das lautähnliche „ein armes Würmchen“ angelehnt.

Das Redensarten-Lexikon des großen Lutz Röhrich (dreibändig) schweigt, auch wenn er der Wurst zwei Seiten widmet (1747ff): Er befasst sich mit Wurst wider Wurst – mit der Wurst nach der Speckseite werfen – Extrawurst – es geht um die Wurst – das ist mir Wurst – und der gekränkten Leberwurst.

Und da wir weiter oben den Namen des Dichterfürsten erwähnt haben: Ein Herr Faust schwadroniert im Internet dergestalt: In früheren Zeiten wurden Würste aus den Schlachtabfällen hergestellt. „Würste“ waren also minderwertige Lebensmittel, eben für „Arme“. Wer sich also Würste nur als fleischliche Nahrung leisten konnte, war ein „armes Würstchen“.

Nett gedacht, wie ich finde, aber wir zweifeln mal … Ein Würstchen ist einfach eine jämmerliche Gestalt. Und das zeigt das Bildchen gut.

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