In acht Tagen ist es wieder mal an der Zeit, die Stimme zum Besten zu geben. Wir singen das schönste aller Weihnachtslieder. Und was singen wir da? Hat sich jemand, im Überschaum der Gefühle zu Weihnachten, mal den Text angesehen? So richtig kritisch, mit dem Hang, ihm zu folgen? Kommen Kinder zwischen 4 und 17 Jahren da mit? Ich versuche eine nicht ernst gemeinte Erläuterung. Und mache zugleich etwas, das ich noch nie getan habe – ich entwende ein Bild, hier: das Autograph des Liedes, weil ich davon ausgehe, dass das Urheberrecht abgelaufen ist, genauer: Autograph VII (Hallein um 1860) Quelle: Denkmäler der Musik in Salzburg Band 4, S.17 (Copyright: Comes Verlag).
Hochhalten will ich den Textdichter und den Komponisten, die 1818 in Österreich das Lied kreierten: den Dorfschullehrer und Organisten Franz Xaver Gruber und den Hilfspfarrer Joseph Mohr. Nun dürfen Sie raten, wer den Text geschrieben und wer die Melodie georgelt hat. Das Lied ist ohne Frage einer der österreichischen Exportschlager und Beiträge zur Weltkultur überhaupt, nach Mozart, aber vor Sissi, Arnie S. und Redbull.
________________Also die erste der Strophen.
Stille Nacht! Heilige Nacht! Na, still kann sie sein (und auch das bezweifle ich …), die Nacht, aber heilig? So richtig heilig wie ein Heiliger? Nur weil ein paar hundert Jahre später jemand auf die Idee kam, diese Nacht die heilige Nacht zu nennen, war sie ja damals noch nicht heilig …
Alles schläft. Einsam wacht Und dann schlafen auch noch alle, angeblich. Das hat der Textdichter doch nur vermutet. In Wirklichkeit geht es doch im Stall zu wie auf einer Autobahnraststätte am Weihnachts-Rückreisewochende – Ochs und Esel, die Hirten, Engel, und dann noch die Könige, die Heiligen Drei. Dazu: ein Papa, der nicht wusste, wie ihm geschah; eine frisch Entbundene und eine Weltrettungshoffnung im Stroh…
Nur das traute hochheilige Paar. Ja, was jetzt? Entweder von den drei Menschen da schlafen alle („… alles schläft …“) oder es wachen einsam 66,6 Prozent der Anwesenden, nämlich die Eltern. Und auch das ist Kindern schwer beizubringen, der Sprung über die Zeile: Einsam wacht (Luftholen, neue Zeile) nur das traute hochheilige Paar. Das ist der Satz, des Reim-Rhythmusses wegen, geteilt wie einst diese Republik.
Holder Knab’ im lockigen Haar, Hold lassen wir noch gelten – aber lockig? Das Kind ist gerade mal einen Tag alt, maximal zwei. Und dann schon Locken wie Tommy aus der Oper von The Who?
Schlafe in himmlischer Ruh! Schlafe in himmlischer Ruh! Das hatten wir doch eben schon bemängelt: Wie soll da einer schlafen können, bei all dem Gästen?
________________Das war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich:
Stille Nacht! Heilige Nacht! Hatten wir oben schon …
Gottes Sohn! O! wie lacht Wer hier als Kind nicht nach dem lachenden Owi gesucht hat, nach Owi oder nach Obi … Wie soll ein Kind da nicht wirr werden? Ich kenne viele, die hier verstanden haben Gottes Sohn Owi lacht. Und wieso, um Owis Willen, ist Owi dann Gottes Sohn, war das nicht Jesus?
Lieb’ aus deinem göttlichen Mund, Kinder, wenn ihr hier gedanklich mit Owi aussteigt und auf die Geschenke unter dem Baum zu starren beginnt – habe ich auch gemacht! Das versteht keiner unter 42.
Da uns schlägt die rettende Stund’. Noch mal: Die rettende Stunde schlägt Jesus! in deiner Geburt? Wenn diesen Satz meine Korrektoren vom Deutschen Sprachkompass in die Hände bekämen – dann Gnade mir Jesus!
Jesus! in deiner Geburt! Jesus! in deiner Geburt! Siehe oben … das kann man nur mit Inbrunst singen, um es nicht verstehen zu müssen.
________________Folgt noch Strophe sechs*:
Stille Nacht! Heilige Nacht! Hatten wir oben schon …
Hirten erst kundgemacht Uppss. Kundmachen? Kinder, das heißt soviel wie: Die Hirten auf dem Feld nahe des Stalls haben es als Erste (zuerst) gezwitschert, was uns das schöne Lied nahebringen will.
Durch der Engel „Halleluja!“ Ja, wer jetzt? Die Engel mit Luuujaaa oder die Hirten mit Zwitschern?
Tönt es laut bey Ferne und Nah: Tönen, Kinder, ist altes Deutsch und heißt soviel wie: Sie, die Engel oder die Hirten, haben es überall herumerzählt. Überall, fern und nah ….
„Jesus der Retter ist da!“ „Jesus der Retter ist da!“ Spätestens hier wissen wir es! Danke!
* Das Lied hat eigentlich sechs Strophen. In Deutschland werden nur drei gesungen. Wer mehr wissen will, schaue sich bitte dazu den guten Wikipedia-Beitrag an.