Weg, Ulatius!

Schauen Sie doch bitte mal auf den Kalender. Wir schreiben den 14. September. Das ist noch Sommer. Das ist noch nicht Winter, das ist noch nicht mal Herbst. Das ist sieben Tage vor dem offiziellen Sommer-Ende.

Schlimmer noch: Ich schreibe dies aus dem Süden der Türkei, mit Temperaturen konstant über 30 Grad und bei gefühlten 25 Grad Mittelmeerwassser.

Mein Sohn hat mir dieses Bild geschickt. Mein Sohn ist in München. Gestern hat er gesagt, die Temperatur im Auto zeige neun Grad. Ist neun Grad in München – Alpennähe! – ein Grund anzunehmen, es sei Winter?

Und nun höre ich meine Freunde, die Marketender, sagen, es sei erforscht sei, dass der deutsche Mensch sich nach dem Urlaubsende, dem Sommerurlaubsende wohlgemerkt, auf Weihnachten freue. Und dass die Marketender ihn einfach nur bei dieser Freude unterstützen wollen, lieblich wie sie sind, die Marketender. Und so habe man andere davon überzeugen müssen, Spekulatius im September anzubieten. Einige seien dafür gewesen, andere dagegen, und man versuche es einfach mal.

Lügner! Ihr macht das seit Jahren. Seit Jahren prallen uns diese Prallpakete Weihnacht entgegen, zur Unzeit! Unpassend! Unmöglich! Fällt Euch nichts ein, das nach Badelaken, -latschen und -hose als Verkaufsschlager gelten könnte?

Nun, Ärger abgelassen und an die Sonne gedacht, die sommerliche und das warme Meer. Dies ist ein Tagebuch über Sprache, und ich krieg sie noch, die Kurve zu Sprachlichem. Wetten?

Hier ist sie. Der Duden erklärt das merkwürdige Wort Spekulatius so: Die Herkunft der Bezeichnung fŸür das flache, zu Figuren geformte GebŠäck aus gewŸürztem MüŸrbeteig ist nicht sicher geklŠärt. Vielleicht liegt, vermittelt durch ostfriesische und niederrheinische Formen, gleichbedeutend äŠlter niederländisch speculatie zugrunde. Dessen Herkunft ist aber in dieser Bedeutung ebenfalls dunkel. Wieder was gelernt, nicht wahr? Und bis zu jenem Zeitpunkt, an dem die Sprachforscher die Herkunft des Worts und dieses verdammt leckeren Zeugs nicht geklärt haben, werde ich jedes Jahr auf diesen Unsinn der pubertären, überhasteten, ja ADHS-haften Frühpräsentation schimpfen.

Also, Weg, Ulatius!

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