Wer einmal Sekt aus Bechern trank

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Hin und wieder greife ich mir wahllos Neuerscheinungen bei Amazon ab und lese nur die ersten Kapitel. Schaffe ich mehr, also: zahle ich für das Werk, hat der Autor es geschafft. Er hat mich auf den ersten zwanzig bis dreißig Seiten überzeugt.

Die Autorin dieses Werks, ich gebe es zu, hätte mich auch bei annähernder Perfektion nicht zum Kauf gebracht. Mädels-Literatur ist so gar nicht meine. Auch wenn ich ein Buch lektoriert habe, in dem es exakt um Mädels und Kerle im Urlaub geht – aber das war eine Ausnahme; ich werde berichten. Dauert noch ein paar Tage bis zur Veröffentlichung.

Hier lesen wir, was Karin und Freundinnen erleben, wenn sie mal ein Wochenende draufmachen(!) wollen. Zug – Sekt – los geht’s. Als Bahnfahrer möchte ich die Damen übrigens nicht im Abteil neben mir wissen; gegen eine angeschickerte Horde holder Weiblichkeit nach Piccccccooolloooooos hoch! ist jeder machtlos. Überdies trinken sie Sekt aus Bechern. Als Stilwahrer alter Schule will ich mich weder zu Sekt äußern (Crémant oder Champagner, bitte!), noch zu Bechern, und schon gar nicht zu Sekt aus Plastikbehältern. Iiigittt!

Wer so etwas trinkt, schreibt auch so, wie Sie es da lesen, und damit komme ich nach langer, angesichts des nahen Frühlings wohlmeinender Vorrede endlich zum Thema. Die Autorin schreibt über Sekt. Sie denkt, dass das Wort Sekt zu oft in ihrem Text vorkommt. Hinter ihr steht der Deutschlehrer wieder auf und zetert: Ausdruck! Ausdruck! Sie sucht verzweifelt nach einem Synonym. Oha, Muntermacher, ja, das ist gut. Und weil so ein echtes Synonym nicht ohne beschreibendes Adjektiv auskommt, muss eines her, auf jeden Fall. Na, was haben wir denn da? Ist prickelnd nicht genau richtig?

Und so kam es zum prickelnden Muntermacher. Und mich schaudert’s! Aus drei Gründen:

(1) Das Wort Sekt ist sehr bestimmt definiert. Ein Sekt ist ein Sekt. Sekt heißt nun mal Sekt. Punkt. Allenfalls denkbar noch ein Griff in das übergeordnete Genre: alkoholisch – Getränk – Gesöff, vielleicht sogar Brause. Sonst nichts. Wenn Sie über eine Hochzeit schreiben, wird das Wort Hochzeit oft vorkommen, na, und? Wollen Sie prickelndes Freudenfest schreiben? Oder Sause zum Ende des freien Lebens? Binden Sie Ihren Deutschlehrer an einen Baum, wie es die Gallier mit Troubadix getan haben. Er möge schweigen!

(2) Ein Sekt ist nun mal ein prickelndes Getränk. Punkt. Es bedarf keines Adjektivs, das das Nomen irgendwie erläutert.

(3) Da hier Sekt und Muntermacher gleichgesetzt sind, bedarf auch das Wort Muntermacher anstelle von Sekt keines Adjektivs.

Also griff sich Karin einen Becher(!, das hatten wir schon) mit dem Sekt und prostete … reicht doch! Und dann nennt mir bitte Zugnummer und Datum, damit ich mir ein Ticket für die Erste kaufe …

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