Griffe in den Farbeimer, 1844 und 2013

Bildschirmfoto 2013-02-06 um 10.27.11

Ich gehe davon aus, dass man Bilder aus dem Struwwelpeter rechtefrei verwenden darf, weil die Rechte am Struwwelpeter abgelaufen sind. Einwände, Frau Richterin? Kopierte ich also dieses Bildchen von der Seite poetenweb, nicht um den Poeten etwas – Wortwitz! – webzunehmen,  sondern allgemeiner sittlicher, moralischer und grammatikalischer Erbauung wegen.

Sie sehen Hoffmanns Werk, Auszug aus der Geschichte mit dem Mohren, den die drei deutschen Kerle hänseln. Ich habe die schon einmal erwähnt, im Zuge der Neger-Wort-Debatte, der schwarzen. Und nein, ich will diese Debatte nicht wieder aufgreifen. Ich nutze des Arztes Heinrich Hoffmanns Fabulierkunst von 1844, um Ihren Blick zu lenken auf die erste und die zweite Zeile: Du siehst sie hier, wie schwarz sie sind, viel schwärzer als das Mohrenkind … Stutzen Sie? Darf man schwarz steigern, darf man Farbadjektive überhaupt steigern? Gibt es ein schwärzeres Schwarz als das gemeinhin bekannte Schwarz?

Nun, Hoffmann sagte vor 170 Jahren: Klar geht das, es reimt sich prächtig – und was soll das alles? Der Duden sagt: Wie die meisten Farbadjektive kann auch schwarz gesteigert werden. Die Vergleichsformen werden mit Umlaut gebildet: Dieses Tuch ist schwärzer als jenes. Sie hatte das schwärzeste Haar.  

Ich denke: Nun ja, wenn man es denn will. Wenn es sein muss – und weigere mich zugleich, Farbadjektive zu steigern. Mir will es nicht in den Kopf. Im Tunnel war es so schwarz, dass ich die Hand vor Augen nicht sehen konnte. – In meinem Tunnel war es aber schwärzer! Und ist nicht Hoffmanns Mohr auf dem Bildchen eher hell-schwarz, schattig-schwarz, gebrochen schwarz, grau-schwarz – im Gegensatz zu den beiden vormals heller pigmentieren, missratenen deutschen Zöglingen, die eigentlich weißer Hautfarbe sind? Ist deren weiße Hautfarbe weißer als die von … na, sagen wir, Nordnorwegern im Winter?

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Fragen über Fragen zu Farben. Die nächste wirft die Online-Ausgabe der geschätzten Frankfurter Allgemeinen auf. Sie sehen eine Überschrift, Schwarzsehen, schwarz tragen. Und damit kommt es knüppeldick: Ein paar wichtige Sätze – moralische Erbaung, sittlicher Nährwert, siehe oben! – zu deutschen Farben, zu SchwarzRotGold und zur deutschen Farbenlehre nach Duden und allgemeinem Verständnis.

(1) Farbwörter, als Adjektive verwendet, schreibt man natürlich klein: Die schwarze Hose ziehe ich nie wieder an. – Das blaue Hemd hat mehr Flecken als Pollocks weißestes(!) Werk.
(2) Manchmal bilden Farbwörter und ein Nomen einen feststehenden Begriff oder einen Eigennamen; dann schreibt man groß: das Schwarze Meer – das Rote Meer – der Schwarze Freitag – das Schwarze Brett – der Schwarze Block (siehe Unterzeile im Bild).
(3) 
Die Farbe selbst schreibt man natürlich auch groß, ist ja ein Nomen: Das Blau steht ihr weniger fein als das Gelb; ist nicht das Gelbe vom Ei, diese Krawatte. – Kommt er in Grau, sieht er aus wie die gleichfarbige Maus.
(4) Dennoch klein schreibt man, wenn man sich dieses Beispiel des Dudens hell vor Augen hält, ich zitiere, weil es besser nicht geht: Meine Lieblingsfarbe ist (was?) Schwarz. Aber: Das Kleid ist [wie?] schwarz. Die Farbe der Trauer ist (was?) Schwarz. Und wir lernen: Auf die Frage nach dem Substantiv – Was? – also groß, auf die Frage nach dem Adjektiv – Wie? – folglich klein. Wir üben das mal anhand der Farbe Schwarz: Wählen Sie am 22. September die Kanzlerin wieder, wählen Sie – Was? – Schwarz. Sie sind damit ein Schwarzwähler. Nutzen Sie nach dem Wahlsieg der Kanzlerin den öffentlichen Personennahverkehr ohne gültige Karte, fahren Sie – Wie?schwarz. Sie werden erwischt, wie Sie schwarzfahren (keine massive Farbbedeutung von Schwarz).
(5) 
Getrennt oder zusammen, wenn ein Verbverbund farbig ist? Diese Regel ist sehr einfach: Geben Sie dem Farbadjektiv die Würde, ein alleinstehendes Wort zu sein, wenn es als reines Farbverb auftritt und seine Bedeutung als Farbadjektiv nicht wörtlich gemeint ist: Das Wörtchen blaumachen* hat in der Bedeutung Ich komme heute nicht zur Arbeit mit der Farbe Blau nichts mehr zu tun – also klemmen Sie es an das andere Verb. Schwarzsehen hat mit der Besichtigung der Farbe nichts zu tun – Sie meinen entweder die Abkehr von der Rundfunkgebühr oder den Blick auf eine trostlose Zukunft. Aber: … grün werden vor Zorn … etwas grün streichen … Übrigens, beide Male kleingeschrieben, weil die Frage wie? im Raume steht.

Und nun zur FAZ auf dem Bildchen: Die Demonstranten tragen was? Erst einmal tragen sie eine echte Farbe, es darf also nicht zusammengeschrieben werden, weil die übertragene Bedeutung wie bei blaumachen, weismachen, schwarzsehen nicht vorhanden ist. Wie heißt die Frage noch mal? Was tragen sie? Was? Also Nomen. Richtig wäre es, hier Schwarz tragen getippt zu haben, großgeschrieben, liebe fAZ!
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
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Achtung bei dem Verb weismachen: Sie machen nicht etwas weiß, sie färben nichts ein, nicht mal eine Meinung oder einen anderen, bis er Ihnen etwas glaubt, rein farblich. Sie führen ihn naseweis, Sie geben vor, ihn weise zu machen. Auch wenn sich weismachen – Ausnahme: Nachrichtensprecher bei ARD oder ZDF – anhört wie ein Verbkompositum mit einem Farbadjektiv – es macht es Ihnen nur weis(!), eines zu sein.

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