Aye, aye, Karlsruhe!

130305_Karlsruhe

Was Sie dort sehen, ist ein Ausriss aus der Titelseite der FAZ von gestern. Es geht um die sogenannte Homo-Ehe, ein Wort übrigens, bei dem ich abrate, es Homoehe (Homöhe!) zu schreiben, weil es so nicht mehr lesbar ist. Homo-Ehe. Homo-Ehe. Homo-Ehe, und bitte schön, dieses Wort ist nur hinter Homo perfekt trennbar. Ho-mo-E-he geht nicht.

Aber darum sollte es sich hier nicht drehen. Mir geht es um diese Überschrift: Kein Karlsruhegehorsam. Ich bin sicher, dass dieses Wort bisher sehr selten bis gar nicht vorkam. Und tatsächlich, die Google-Suche ergab 2.960 Fundstellen, für Suchmaschienen (12. März: Jesses, wie konnte das nur passieren!)-Verhältnisse deutlich wenig – die meisten Funde sehr aktuell von gestern. Nachgeschlagen im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache, DWDS, einer Art Allzweckwaffe für Fundstellen: nichts!

Ein wunderbares Wort, in meinen Augen, weil es zeigt, was die deutsche Sprache ermöglicht. Karlsruhe, das ist bei den Homines politici nicht die Stadt in Baden, sondern das Verfassungsgericht in Karlsruhe*, obwohl in Karlsruhe auch der Bundesgerichtshof sitzt, ein anderes oberstes Gericht des Landes. Karlsruhe sagt … Karlsruhe hat entschieden … Karlsruhe ist der Meinung … Karlsruhe steht immer für einen der beiden Senate des Gerichts.

Das Wort Gehorsam direkt hinter Karlsruhe zu hängen – das ist ungewöhnlich. Die FAZ schafft damit ein neues Wort, ohne Kopplung, einfach so: Die Politik gehorcht dem, was Karlsruhe sagt. Stark.

Und noch stärker wird dieses neue Wort, weil es unterschwellig an ein anderes erinnert: an Kadavergehorsam, gleicher Anlauf (Ka-), ebenfalls drei Silben. Sehr stark. Karlsruhegehorsam konnotiert Kadavergehorsam. Ich bin begeistert!

Und wenn Sie dann mal in den Text hineinlesen, stolpern Sie gewiss ebenfalls über diesen Satz: … wollten Großstadt-Strategen wie Taktik-Tüftler der Partei zur Vorwärtsverteidigung übergehen: Man dürfte sich doch nicht dauernd von den Verfassungsrichtern „treiben“ lassen, schon gar nicht in einem Wahljahr. Uhhhh, liebe Strategen, wer denn bitte sonst als Karlsruhe(!), Erster oder Zweiter Senat, hat denn überhaupt das Recht, die Politiker zu treiben? (1) Gewissen versus Fraktionsdisziplin. (2) Wähler (die ideale Konstruktion). (3) Verfassung. Na, also!

Mal nachdenken, Ihr! Ihr mögt ja mit Entscheidungen aus Karlsruhe nicht einverstanden sein, bindend sind die dennoch, auch wenn Ihr Euch von denen getrieben fühlt.
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
In der Sprachwissenschaft nennt man ein solches allgemeinverbindliches Einstehen eines Wortes für einen Begriff eine Periphrase. Besser deutet es der Duden: Pe|ri|phra|se, die; -, -n [lateinisch periphrasis < griechisch periphrasis, zu: peri = um – herum und phr‡sis = das Sprechen; Ausdruck] (Rhetorik): Umschreibung eines Begriffs durch eine kennzeichnende Eigenschaft.

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