Watt dat denn?

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Nett, nicht wahr? Wir schmunzeln. Wir, die wir uns einbilden, wenige Fehler zu machen, wenn wir uns am im Deutschen üben. Aber das Bildchen, das ich aus Facebook gezogen habe, ist nicht nur unterhaltsam; es hat auch einen wahren Kern: Wie sollen Tochter oder Sohn, die oder der da mit einer sechs nach Hause kommt*, gutes Deutsch sprechen oder schreiben, wenn am Tisch Wild- oder RTL2-Deutsch gesprochen wird: regellos vor sich hingeplappert.

Vorbilder sind gewiss RTL2 und überhaupt jene Sendungen, in denen Menschen von der Straße oder dem Bauernhof, vom Campingplatz, in den Fußgängerzonen oder beim Frauentausch Sprache so herauswürgen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Dann hält man ihnen ein Bildchen vom deutschen Wirtschaftsminister hin – und sie tippen auf einen asiatischen Schlagerstar. Und wir lernen, dass es nicht nur um die Befähigung geht, sich differenziert auszudrücken; es geht auch um Bildung im Allgemeinen.

Das Schildchen hat ohne Frage auch eine politische Dimension.

Noch eine Anmerkung Datt kann doch nicht den Lehrer sein Ernst sein … ist natürlich eine hilflose Konstruktion zur Umschiffung des Genitivs. Aber sie wird auch in Franken gesprochen und in Teilen Baden-Württembergs, durchaus auch in Kreisen, in denen sonst gutes Deutsch gesprochen wird. Schauen wir uns diese Konstruktion doch einmal genauer an: Den Genitiv – des Lehrers – ersetzt hier ein Akkusativ – den Lehrer sein Ernst –; in Franken setzt man stattdessen den Dativ ein: dem Lehrer sein Ernst – dem Papa sein Auto – der Liesel ihre Puppe. Sie sehen, auch im Falschen schlummert Differenzierung.

Und noch eine Anmerkung Ich hab doch imma mit Dich geübt. Duden-Deutsch ließe hier das Dich kleinschreiben. Und die Note 6 schriebe man korrekt aus: Ne sechs in Deutsch? Deutet nur darauf hin, dass auch beim Verfassen des Schildchens die Macher sich nicht sehr sicher waren. Erstens. Und zweitens: Im Rheinland hieße es: Ich hab doch imma mit Disch geübt. Ich bewundere Kinder, die disch hören, aber dich schreiben. Wer jemals in Oberbayern auf der Straße Schwerstdialekt gehört hat, fragt sich, wie die ein Abitur schaffen können. Wirklich! Die Leistungen des Hirns sind da sehr feine.
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
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Nun wird es heftig: Muss nach zwei oder mehr das Verb regierenden Subjekten hier: Tochter oder Sohn – das Verb im Singular – hier: kommt – stehen oder im Plural – hier dann: kommen? Am liebsten würde ich Ihnen zuwerfen: Machen Sie es doch, wie Sie wollen, ist einerlei, beides richtig. Pustekuchen!

Ist es nicht. Die Regel dazu: Wenn die Subjektteile mit sowohl ‒ als / wie [auch] – ML: oder auch: oder – verbunden sind und sich die Subjektteile im Numerus (1) unterscheiden, dann kongruiert das Verb in der Regel mit dem ihm am nächsten stehenden Subjektteil. Haben beide Subjektteile den (2) Singular, dann steht das Verb ebenfalls im Singular.

Ich habe die Ordnungszahen (1) und (2) in dieses Dudenzitat eingefügt, weil ich es erklären will.
(1) Wir haben als Subjekte des Satzes zwei Nomen, im Beispiel hier: die Kinder und der Vater, und wir bilden einen Satz damit: Sowohl die Kinder, als auch der Vater … (wollen) … nach Hause gehen. Der Satz muss dann heißen: Sowohl die Kinder, als auch der Vater will nach Hause gehen. Singular, weil der Vater, das dem Verb am nächsten stehende Nomen, im Singular steht.

(2) Die Mutter oder der Vater … (wollen) … nach Hause gehen. Zwei Subjekte im Singular machen keinen Plural: Die Mutter oder der Vater will nach Hause gehen.

Sie denken, das wäre alles? Nein, es geht weiter. Bei Konstruktionen mit oder stellt sich dann die Frage, ob dieses oder ein ausschließendes oder ein einschließendes oder ist. Also: Ist unklar, wen es betrifft, reden wir von einem ausschließenden: einer wird ausgeschlossen: Sei sicher, dein Onkel oder deine Tante holt dich ab! Einer von beiden, ausschließend!, daher Singular. Einschließend wäre es in dieser Konstruktion: Pest oder Cholera, beide führen zu deutlichem Elend. Plural!

Und nun erklären Sie das einmal der Mutter, die da im Bildchen zitiert wird …

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