Blut auf dem Tisch des Richters

Bildschirmfoto 2013-05-16 um 12.26.08

Es soll hier nicht um die Idioten und Ewiggestrigen gehen, die ein NSU-Mahnmal in Nürnberg mit Dumm-Sprüchen versehen haben. Es geht mir um einen Satz aus diesem Artikel der Nürnberger Zeitung von heute, weiter unten im Text. Der Satz heißt – Thema: NSU-Prozess in München – so: Die Verteidiger lieferten sich aufgrund einer Antragsflut ein Hauen und Stechen mit dem Richter. Ein Satz, der in jedes Seminar zur Journalistensprache passt.

Fangen wir vorn an, mit dem Wörtchen aufgrund. Heißt soviel wie wegen. Die Präposition sucht einen Grund. Der Grund wird nach der Präposition geliefert, hier: Antragsflut. Die Antragsflut ist der Grund für das Hauen und Stechen. Das Hauen und Stechen folgt der Antragsflut? Stimmt das so? Nein. Denn die Antragsflut IST das Hauen und Stechen. Besser wäre es gewesen zu sagen: Die Anwälte kamen mit einer wahren Flut an Anträgen – ein Hauen und Stechen mit dem Richter.

Wäre schon etwas besser. Wenn da nicht das Hauen und Stechen wäre. Seien Sie ehrlich, Sie denken auch so: Hauen und Stechen steht zunächst einmal für einen Kampf. Man haut sich, man sticht zu. Stimmt nicht, dazu später mehr.

Aber selbst, wenn man nämlich annimmt, dass es hier um Martialisches geht, ist die Redensart fehl am Platz. Anwälte stellen in einem ordentlichen Prozess ordentliche Anträge, der Richter entscheidet darüber. Da fließt kein Blut, da streitet man sich lediglich – selbst wenn es für die meisten Verfahrensbeteiligten langweilig sein sollte oder enervierend. Kurz: Die Redensart passt nicht. Wir befinden uns im Rahmen der Strafprozessordnung, es werden wieder Hieb- noch Stichwaffen eingesetzt; alles geht seinen geregelten Gang.

Und noch aus einem anderen Grunde ist Hauen und Stechen hier falsch. Zieht man eines meiner Lieblingsbücher hinzu, – Lutz Röhrichs Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten – lernt man nämlich in Band 2, dass Hauen und Stechen ein Begriff aus dem Fechtsport ist. Eine Waffe wird so eingesetzt, dass es unklar ist, ob gehauen oder gestochen wird. Die Wunden sind erheblich und nicht näher bestimmbar. Hauen und Stechen steht für ein rechtes Gemetzel, ein sehr blutige Angelegenheit. Hauen und Stechen hat mit einer fairen Auseinandersetzung nichts zu tun.

Mein Rat: Wenn man schon auf Sprichwörtliches zurückgeht, sollte man die Wurzel des Spruchs kennen – und sich fragen, ob er passt.

*Anzeige: Die Seite enthält Links zu mehreren Webseiten, auf denen Sie Bücher bestellen können. Hierbei handelt es sich um Werbung. In eigener Sache zwar, aber Werbung bleibt Werbung, weshalb ich Sie an dieser Stelle darauf hinweise.