Die arrogante Haltung

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Gefunden habe ich das Bildchen irgendwo im Internet; es war so etwas wie die Visitenkarte einer Frau, die ein Restaurant bewertet hatte. Den englischenText schreibe ich auf: I don t judge people based on race, creed, colour or gender. I judge people based on spelling, grammar, punctuation and sentence structure.

Und die Übersetzung: Ich beurteile Menschen nicht nach Rasse, Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. Ich beurteile Menschen nach ihrer Rechtschreibung, Grammatik, Zeichensetzung und dem Satzaufbau.

Nun, Menschen nach Hautfarbe, Geschlecht und Religion zu beurteilen, das gehört schon zum ganz miesen Ton. Auch wenn ich Leute kenne, die alles tun würden, um die Hochzeit ihres Sohnes, weiß und ehedem Ministrant, mit einem schwulen, muslimischen Farbigen zu verhindern.

Menschen aber zu beurteilen nach ihrer Fähigkeit, mit Sprache umzugehen: Ich bekenne, davon bin ich nicht frei. Die Fähigkeit, sich auszudrücken, die Fähigkeit, richtige Sätze zu bilden, die Fähigkeit, diese Sätze auch noch fehlerfrei aufzuschreiben, die Fähigkeit, Kommata und Punkte richtig zu setzen – all das ziehe ich bei der Beurteilung von Menschen heran.

Es geht dabei nicht um den Umgang auf der Straße oder beim Edeka-Kaufmann, es geht um diejenigen, die man näher an sich heranlässt. Einen Abend zu verbringen mit einem Bekannten, der keinen Satz zu Ende bringt, ausschließlich in Wort-Stanzen argumentiert, Sprache schleifen lässt: ein Graus. Ich höre nicht zu. Und wenn der nach dem Abend eine SMS anrauschen lässt, die lautet: Ey, klasse, ey, war echt super irgendwie und wassu sags übern HSV, voll richtig, Mann! ... –  nie wieder. Ist so. Freimachen kann ich mich davon nicht.

Andererseits gehöre ich zu einer Spezies, die anderen auch gehörig auf die Nerven gehen kann. Höre ich ein mir unbekanntes Wort, schlage ich im omnipräsenten iPhone und dessen Duden-App nach. Sofort. Und mache dieses Wort zum Thema. Ich korrigiere Menschen nach dem Gebrauch eines falschen Kasus. Sofort. Falscher Einsatz von dieselbe oder das gleiche: Ich reagiere. Radebricht jemand unter einer Last von Anglizismen, sage ich gewiss: Gibt es den Satz auch in Schön? Und nutzt jemand ein großes Maß an Worthüllen oder Euphemismen: Ich spreche ihn darauf an; freundlich, wie ich meine. Verletzend kann das aber allemal sein.

Ich gelobe Besserung. Das habe ich schon einmal getan. Es wird aber langsam besser …

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