Jedes Mal, wenn unser Altbundeskanzler einen Aschenbecher umstößt, wird dessen Inhalt zum Gegenstand der Heiligenverehrung. Jede Kippe seiner Reyno Menthol sollte in Museen der Zeitgeschichte der Nachwelt erhalten bleiben, und was Helmut Schmidt, Jahrgang 1918, heute sagt, hat immer noch Gewicht: Beinahe jeder Satz wandert als Neuzugang in die Zitatensammlung seines Volks.
Wenn Schmidt also sagt: Sie müssen mich ja nicht ernst nehmen, ist das schon ein Witz, Quelle: meine Heimatzeitung, die Nürnberger. Klar nehmen wir den ernst. Aber nehmen wir den Ernst auch ernst? Und warum heißt es nicht ernstnehmen, so wie es ja krankschreiben heißt oder gutschreiben oder gesundbeten oder weismachen (etwas weise machen, jemandem etwas weise machen) und weiß machen (tünchen) und blaumachen (krank) und blau machen (streichen)?
Wir haben hier einen Fall, den Sie wissen sollten. Die Regel heißt, dass man in Verbindungen aus einem Adverb oder Adjektiv (ernst) und einem Verb (nehmen) die beiden aneinanderklebt, wenn der ursprüngliche Sinn des Adjektivs nicht mehr in aller Ursprünglichkeit zu erkennen ist: Jemand, der mit Kopfschmerzen einen Brief schreibt, ist dabei, den Brief krank zu schreiben. Ein Arzt, der den Schreibenden untersucht, ist dabei, den Schreibenden krankzuschreiben. Bei ernst nehmen (so ist es richtig) darf man streiten; ist der ursprüngliche Sinn des Worts ernst erhalten?
Wie dem auch sei; der Duden ist eindeutig: Verbindungen aus ernst und einem Verb werden getrennt geschrieben: Diesen Fall muss ich ernst nehmen. Sie ist sofort ernst geworden. Ich habe das doch nicht ernst gemeint!
Nehmen Sie das ernst! Denn nun wird es kompliziert, ich zitiere den Duden weiter: Verbindungen aus ernst und einem Partizip werden getrennt oder zusammengeschrieben: Es waren ernst gemeinte / ernstgemeinte Ratschläge. Ein ernst zu nehmender / ernstzunehmender Vorschlag. Noch einmal lesen? Wenn wir neben das ernst ein Partizip – ernstgenommen, ernst zu nehmende –, haben wir die Wahl.
Ist nun mal so. Wenn Sie es richtig machen wollen, haben Sie keine Wahl. Im Ernst.
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In eigener Sache Ich habe im Sommer bei der Münchner PR-Agentur vibrio den Damen und Herren ein wenig Nachhilfe beim Einsatz noch besseren Deutsches gegeben. Die Agentur war so freundlich, meinem Erscheinen einen Dankeschön-Artikel folgen zu lassen. Den lesen Sie hier. Es dominierten 40 Grad, das sehen Sie an den Bildern. Und wenn andere Agenturen dies lesen … und an eine Auffrischung denken …