Da stinkt ein Finger zum Himmel

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Erst mal lesen, dann urteilen. Erst mal Fakten schaffen, dann eventuell für nicht gut befinden. Das Bild der Woche hat er von sich machen lassen, der Peer, mitten im Wahlkampf. Der Peer mit dem Stinkefinger.

Was der ist, klärt der Duden: Stịn|ke|fin|ger, der (umgangssprachlich): hochgestreckter Mittelfinger, der einer Person ‒ mit dem Handrücken auf sie zu ‒ gezeigt wird, um auszudrücken, dass man sie verachtet, von ihr in Ruhe gelassen werden will: Immerhin waren Sie doch der böse Bube und haben 1994 bei der WM in den USA den »Stinkefinger« gezeigt (Stern 29, 1998, 135); ✰ jemandem den Stinkefinger zeigen (umgangssprachlich; jemanden Verachtung oder Gleichgültigkeit [über]deutlich spüren lassen: Die Generäle haben ihrem Volk und der Welt den Stinkefinger gezeigt, haben auf Menschenrechte und Stinkefingerleben gespuckt [Woche 17. 7. 98, 21]).

Und dieses Tagebuch nimmt sich zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren etwas an, das ungewöhnlich für Sprachbetrachtungen ist: einer stummen Geste.

Sie kennen vielleicht nur das Titelbild des Magazins der Süddeutschen von heute; das ist nun in aller Augen. Oben sehen Sie die gesamte Seite – die rechte einer Doppelseite – als Ausriss aus dem Magazin. Das Titelbild haben die Macher des Magazins vom Bild oben rechts gezogen. Zum Skandal wird dieses eine Bild. Die anderen sind eher harmlos. Sie sind sogar sympathisch. Dazu ein paar Anmerkungen:

(1) Das Titelbild ist das stärkste. Man darf den Machern des Magazins nicht vorhalten, dass sie das stärkste Bild auch als Titel nutzen. Das ist Handwerk, selbst wenn man den Kandidaten damit über die Klinge hüpfen lässt. Die Aufnahmen wurden vor einem Monat in Berlin gemacht. Dass die Süddeutsche damit zwei Tage vor der Bayernwahl und zehn Tage vor der Bundestagswahl kommt – bestes Handwerk!

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(2) Der Ehemann. Schauen Sie sich noch jenes Bild an, das die Strecke im Magazin innen aufmacht, ganzseitig auf der linken Seite: Der Ehemann Peer S. zeigt  Herzchen, Küsschen und Hütchen auf die Frage: Herr Steinbrück, Sie und Ihre Frau sind seit 38 Jahren verheiratet. Ihr Tipp für eine lange, glückliche Ehe? 

(3) Einer ahnte die Folgen. Der Pressesprecher von Peer S. hat wohl davon abgeraten, das Stinkefinger-Bild zu autorisieren. Der Mann kennt Medien und  Wirkung. Der Mann ist Profi. Er kommt von der Bild-Zeitung. Der Kandidat selbst hat dann gesagt, in seiner direkten Hamburger Art, die auch Kavallerien in die Schweiz einreiten lässt: Nein, das ist okay so.

(4) Kanzlertauglich? Dass nun alle Mannen und Damen aus anderen Parteien über den Kandidaten herfallen, ist selbstverständlich. Gesundheitsminister Daniel Bahr: Das kann doch wohl nicht der Stil eines Bundeskanzlers sein; FDP-Chef Philipp Rösler: Die Geste verbietet sich als Kanzlerkandidat. So etwas geht nicht. Ob Steinbrück damit kanzlertauglicher wird? Auf jeden Fall setzt er fort, was ihn auch in den vergangenen Monaten auszeichnete: Gradlinigkeit bis an die Grenze zur Selbstzerstörung.

(5) Die Reaktion der Redaktion. Völlig unverständlich findet ich indes die Reaktion der Süddeutschen auf die eigene Veröffentlichung. In einem Kommentar, den Sie vollständig hier lesen, sagt Thorsten Denkler, politischer Korrespondent im Hauptstadtbüro der SZ: Jetzt ist Peer Steinbrück ja nicht irgendwer. Er ist der Kandidat der SPD für das Amt des Bundeskanzlers. Er will eine der größten Wirtschaftsnationen der Welt führen. Fragt sich also: Bitte, was soll das? Eine Woche vor der Wahl! Wen will er damit beeindrucken? Und Denkler schließt mit: Na vielen Dank auch, Herr Steinbrück! Reicht es nicht, dass er öffentlich damit prahlt, zweimal sitzengeblieben zu sein?

Für mich liest sich das wie: Wir haben da einen echten Coup gelandet. Wir sind heute Bestandteil der Nachrichten des Tages. Das Blatt wird an den Kiosken ausverkauft sein. Wir sind sicher heute Abend in den Nachrichten. Aber was Sie da machen, Peer S., das geht ja gar nicht!

Oder deutlicher: Danke, Ihre Kollegen vom SZ-Magazin! Pfui, Peer!

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