Die dritte Belagerung

190630_Staud's

Kleine Anfrage von Andreas Hofer, Südtirol, dortselbst Ehrenvorsitzender des Ersten Bozener Vereins zur gepflegten Gegnerschaft versus des welschen und grundverkehrten Deppen-Apostroph von 1836 e.V., unter Mitschickung des Bildchens, das zu zeigen mir hier eine Ehre ist: Ich darf aus dem Brief des Herrn zitieren, unter Weglassung schlimmerer Invektive.*

Verehrter Schriftführer der werten Hoch- und auch Deutsch-Meisterei, schreibt der Herr also, waren neulich beim Vereinskameraden Hauser Sigismund in der Küche zwecks Hebung des einen oder anderen Glases Weißburgunder. Und was sahen meine geübten Augen im Kühlschrank des Herrn Sigismund? Das, was mein Enkel hernach per Photographiervorrichtung in seinem Telephonapparat (so etwas gibt es heute schon, falls Sie es nicht wissen!) hat dokumentieren können. Schauen Sie sich diese austriakische Verballhornung des Deutschen an! Eine Marmeladenfabrik! Ich bitte Sie! Können die sich nicht jemanden leisten, der denen mal zumindest den Namen korrigiert? Da kämpfen wir südlich des Alpenhauptkamms nicht nur für die unsere Nationalmannschaft und gegen Pasta-Gerichte und für mehr Kartoffeln, sondern auch gegen den Apostroph an falscher Stelle. Und Vereinskamerad Sigismund hat so etwas im eigenen Haus. Habe Freundschaft gekündigt, Marmeladenglas zerstört und erwarte Mitstreiter (auch Türken, die kennen so etwas wie einen Apostroph nicht, aber die Lage vor Ort) für den Zug gen Wien. Verbundenst, Ihr Hofer Andreas.

Lieber Herr Hofer, schrieb ich dann zurück, nichts gegen Türken vor Wien und in der Stadt. Die letzte Belagerung fand vor rund 350 Jahren Stadt – heute wäre sie friedlicher, denn die Türken sind ein lustiges Volk und touristisch sehr interessiert. Aber Sie werden kaum einen Türken finden, der mit Ihnen gen Apostroph in Staud’s zieht. Und mich übrigens auch nicht. Und ich will Ihnen auch sagen, warum. Nein, ich mache es mit einem Beispiel: Neben mir, hier in der Zentrale der 555 Mitarbeiter der werten Hoch- und auch Deutsch-Meisterei (danke dafür!) erhebt sich ein Neubau. Die Firma heißt &_Gräde!?_BubX und schreibt sich genau so, wie es da steht. Aber ganz genau so. Ich habe auch 44 Mal hinsehen müssen, bis ich begriff, dass die Firma Satzzeichen erfindet und sie druckt.

Gibt es aus Duden’s (das musste jetzt sein, Entschuldigung!) Sicht irgendein Argument gegen den Namen? Gibt es gar rechtliche Handhabe? Sehen Sie, gibt es nicht! Darf sich Staud’s so nennen? Ich bitte darum! Hieß die Firma vielleicht 1735 (einhundert Jahre nach den Türken vor Wien) Staud’s Allerfeinste Marmeladen- und auch Konfitüren-Manufaktur mit angeschlossenem Anbau allerbester Früchte zur eigenenVerwendung zwecks Verkaufs an die Türken? Hieß sie so? Ja, sie hieß so (oder auch nicht, frei erfunden meinerseits, übrigens) – ein findiger Kerl hat dann 1911 daraus einfach nur Staud’s gemacht. Warum? Geht uns das etwas an?

Nein. Die dürfen das! Die sollen das! Die machen das einfach so. Firmen dürfen mit ihren Namen machen, was sie wollen. Auch Heidgunde’s Wollstübchen’s oder Hansens‘ Apricot#s-Trickots. Ist doch deren Sache. Und womit?

Mit allem Recht der Welt …

Seither ist Schweigen im Wald, Bozen schweigt. Wien steht noch. Und die Marmelade ist einfach vom Besten, übrigens …
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
* Selten genug verwende ich Fremdwörter. Dieses hat mich gereizt, weil auch der Herr Hofer Andreas zu dieser gespreizten Sprache anhebt. Also, Invektive ist rein bildungssprachlich – und eher donausüdlich bis alpenländisch:  Invektive, sagt der Duden:  die; -, -n [mittellateinisch invectiva, zu spŠätlateinisch invectivus = schmŠähend] (bildungssprachlich) – „mŸündliche oder schriftliche Äußerung von absichtlich beleidigendem Charakter“ mit den Beispielen: sich in Invektiven gegen jemanden ergehen; sich gegen jemandes Invektiven zur Wehr setzen;  die in der Tat bšösartigen Invektiven des Gegners kann er auch jetzt, nach 23 Jahren und nach dessen Tod, offenbar nicht vergessen (Reich-Ranicki, Th. Mann 42).

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