Über die Formulierung einer Rede

150624_WörtlichkeitSie nehmen einen kleinen Blick in meine tägliche Arbeit. Ein Manuskript. Die Autorin, eine reizende Berlinerin, beschreibt eine Frau, die in Gedanken ist. Wenn sie so und so gewesen wäre, hätte der Kerl sie vielleicht auf einen Kaffee (siehe gestern) in Togo eingeladen. Alles gut, alles normal.

Doch dann kommt die Freundin ins Spiel. Hey, du bist ja auch zu früh, sagt die. Dass sie das sagt, ist ja klar – steht ja zwischen Anführungszeichen. Die Autorin will aber zweierlei vermelden. Erstens das Zitat mit dem Zufrühsein – so weit so gut. Aber dann will sie noch sagen, dass die Dazukommende die Kerl-Sinniererin aus ihren Gedanken gerissen hat. Und das geht ansatzlos. Es steht da, wo bestenfalls hingehört hätte … sagte sie. Oder Verben des Zitierens wie blöken, schreien, winseln, rufen, maulen. Oder Verben des Fragens. Auf keinen Fall gehört dahin so etwas wie aus den Gedanken reißen.

Warum? Weil das Faulheit ist, weil es sich unfein liest. Wenn man sagen will, dass die Worte der Freundin die Protagonistin aus den Gedanken reißen, sollte man es so formulieren: … ja auch zu früh.“ Melanie sah auf. Sie fühlte sich aus den Gedanken gerissen. Sind ein paar Wörter mehr. Aber eleganter. Finden Sie nicht?

Gut, dann will ich einmal mit einem drastischeren Beispiel belegen. … ja auch zu früh“, glaubte sie sich an eine Stimme zu erinnern, die ihr nicht gut tat, sondern nur alte, vergessene, bedrohliche Zeiten heraufbeschwor, die längst vergessen zu sein schienen.

Ist das Kitsch? Ja? Ist das falsch? Nein?

Aber es geht nicht. Es hämmert auf das Hirn.

Ich wünsche einen schönen Tag – oder wie der Franke es knödelt: Schöner Tach! 

„Schöner Tach“, versank er in Arbeit.

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