Ich steh ja schon innerlich in Habachtstellung, wenn ein Buch mit einem Prolog beginnt. In der Regel ist ein Prolog nichts mehr als ein erstes Kapitel – oder eine Vorschau auf eine oft entscheidende Szene in der Vergangenheit. Wenn dann noch Begriffe auftauchen wie Regen, Nebel, Friedhof, Ketten, Vollmond, Messer, Keller, Verlies lege ich das Buch zur Seite. Übrigens, wie immer bei diesen Büchern, die ich hier anreiße, gilt: kein Titel, kein Autor. Ich will niemandem schaden.
Diese kleine Leseprobe soll Sie erheitern, zum Wochenende. Schauen wir uns doch mal den ersten Satz an, übrigens, das Buch ist auf dem Markt und auch lektoriert: Es war noch früh am Nachmittag, als die Sonne den Zenit überschritt und langsam hinter den verschneiten Bergen …
Wir lesen: verschneite Berge + Sonne und schließen messerscharf: Na ja, März wird es sein, so etwas wie halb drei, nein, wir lesen den ersten Satz des nächsten Abschnitts: … klirrend kalter Wintertag, das ist eher Februar. Gleichwohl Alpenlandschaft. Und was lesen wir noch? Zenit + früh am Nachmittag.
Hoppla, mein Duden sagt zum Begriff Zenit: gedachter höchster Punkt des Himmelsgewölbes senkrecht über dem Standort des Beobachters bzw. über einem bestimmten Bezugspunkt auf der Erde. Schlau, oder?
Und dann fragen wir uns, wie die Sonne um halb drei im Zenit stehen kann. Hallo? Die Sonne steht um zwölf Uhr mittags (andere sagen: High Noon) im Zenit. Da stimmt doch was nicht. Das wäre nicht der Rede wert, wäre es nicht der erste Satz des Buchs. Na ja, kann passieren, dennoch. Überlesen.
Dachte ich auch – und las weiter, bis zum Ende des ersten Absatzes. Da steht: … und der eisige Nebel, der vom See nach oben stieg, fühlte sich an wie flüssiges Blei.
Da platzte mir innerlich der Kragen, wenn so einer innerlich platzen kann. Erstens haben wir Sonne, steht oben. Also oben am Himmel. Noch ist sie da, Mittag oder später, einerlei. Steht oben, also weiter oben im Text. Und dann Nebel, plötzlich – und er ist auch noch eisig? Eisnebel? Nehmen wir mal so hin. Und dieser eisige Nebel steigt vom See hoch (das kann er, rein physikalisch, denke ich) – aber wie fühlt er sich an? Wie flüssiges Blei.
Haben wir also, zweitens, Nebel wie Blei. Nebel ist hier eiskalt. Und Blei? Das Blei ist flüssig, es ist brennend heiß! Das passt nicht, das stimmt nicht, die Bilder sind schief. Man kann nicht eisigen Nebel mit flüssigem Blei gleichsetzen. Was denn nun – heiß oder kalt?
So, ich hab’s geschrieben … abgeregt … auf ins Wochenende, das bitte für Sie ein unterhaltsames werden möge!
Und wenn Sie den Unsinn, den paradoxen, den die Überschrift andeutet, nicht kennen, lesen Sie ihn bitte hier nach …
Macht fröhlich!