Ein Stoß ins verbale Horn

Screenshot 2016-04-07 22.01.23Heute ein feiner Beitrag aus der beliebten Serie: Wir klugscheißern – das muss man nicht wissen, aber es ist auch nicht(!) wichtig, es zu wissen. Und wenn wir es freundlicher sagen wollen: Etymologie, also die Lehre von der Herkunft der Wörter, zieht so manche Party aus dem Einerlei.

Es geht um das Verb verballhornen, gestern angekündigt. Man verballhornt etwas, wenn man ein Wort vergackeiert (auch dieses Verb gibt es). Wer also aus dem Namen des verstorbenen Herr Westerwelle, angesichts der sexuellen Ausrichtung des ehemaligen Vizekanzlers, eine Schwester Welle gemacht hat, neigte dazu, den Namen zu verballhornen.

Die Etymologie von verballhornen ging so: Johann Balhorn, Lübecker Drucker, habe Texte des Lübecker Rats korrigiert, bevor er sie druckte (das Bildchen habe ich aus Wikipedia, gemeinfrei). Diese eigenmächtige Verschlimmbesserung – ein wunderbar treffendes Wort – des Auftrags brachten dem Handwerker aus dem 16. Jahrhundert jenen Ruf ein, der bis heute hält: Wer einen Text (oder etwas anderes) verbalhornt, macht ihn schlechter. Herrn Balhorn sei Dank!

Zunächst einmal verbalhornt(!) der Duden den Herrn. Unser Lieblingsbuch ging nämlich irgendwann dazu über,  die Schreibweise dem Volksmund anzupassen. Mensch, Duden, der Herr hieß Balhorn, mit einem L. Aber weil natürlich jeder zwei L spricht, ist heute die Doppel-L-Variante gültig.* Der Aussprache angepasst, schob das Regelwerk also im vergangenen Jahrhundert ein zweites L ein – mein 1930er Duden, 10. Auflage, kennt nur verbalhornen; ich schreibe hier bewusst falsch und warte auf die Korrektur durch den Drucker der deutschmeisterei.de.

Der Redensartforscher Lutz Röhrich, eine echte Größe in dieser Disziplin (Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, drei Bände), rehabilitiert Herrn Balhorn. Nicht der Drucker habe die Texte verschlimmbessert, vielmehr hätten sich die Ratsherren hinter dem Drucker versteckt: Für die Gesetze, die der Lübecker Bevölkerung überhaupt nicht schmeckten, hätten die hohen Herren einen Schuldigen gesucht. Balhorn habe nur gedruckt, was geliefert wurde – und seinen Namen hergegeben. Die zweite Auflage der editio Balhorniana sei dann ohne Namen erschienen. Gehalten hat sich der Name dennoch, bis in die Neuzeit – nur leider meist aufs Misslichste falsch geschrieben. Oder verbalhornt.
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
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Merkwürdigerweise sind es immer die Doppel-L des Volks, die der Duden dann auch niederlegt. Sie glauben das nicht? Karamell kommt aus dem Spanischen, von caramelo, mit einem L. So schrieb man es auch bis Ende der Neunziger: Karamel. Seither nicht mehr. Und der Tollpatsch kommt aus dem Ungarischen. Dort ist der talpasch der Tölpel. Schrieb man bis in die Neunziger so: Tolpatsch, mit einem L, seither nicht mehr.

Einerlei, sage ich da nur. Ihnen ein feines Wochenende!

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