Nicht gerade angenehm, das Wetter

160426_Litotes

Dieses Bildchen ist das frischeste, das bisher in der deutschmeisterei erschienen ist. Es wurde gerade mal eine Stunde vor dem Veröffentlichungstermin geknipst. Auf dem Bildchen sehen sie eine Forsythie – Sinnbild für den Frühling –, und wenn Sie scharf auf das Dach des Schrebergartenhäuschens schauen, sehen Sie Schnee. Sie sollten dieses Bildchen näher betrachten und dann sollten Sie eigentlich diesen Satz denken: Das Wetter ist aber auch nicht gerade frühlingshaft, oder?

Und schon sind wir mitten im Thema des Tages.

Sie hätten auch denken können: Mistwetter!, Leck mich, Frühling!, Hoffentlich ist das bald vorbei!, Uppsss, die Poolparty am Samstag … oder Schietwetter, wie ich es als Ausdruck auf Schirmen in Hamburg kenne. Aber nein, Sie müssen ja mit dieser merkwürdigen Verneinung reagieren: Das Wetter ist aber auch nicht gerade frühlingshaft, oder?

Aber das gibt mir Gelegenheit – danke dafür! –, auf eine rhetorische Figur aufmerksam zu machen, die ich bis vor drei Wochen auch nicht kannte … also, ich kannte sie, aber ich hätte sie nie und nimmer als Litotes ausgemacht. Genauer: Ein Freund kam zum Abendessen und führte mich aufs Glatteis. Ob ich eigentlich wisse, was ein Litotes sei. Für einen staatlich anerkannten Besserwisser ist Kopfschütteln auf diese Frage die peinlichste aller Reaktionen. Das war nicht gerade die angenehmste Minute dieses Abends (Litotes 2), es war schweinspeinlich.

Kommen wir nach langer Vorrede, draußen ist nun gerade nicht unbedingt Frühling eingezogen (Litotes 3), zum Kern der Chose. Der Litotes, irgendwas aus dem Griechischen, das ich nicht unbedingt zu meinen Muttersprachen rechne (Litotes 4), ist die Stilfigur der doppelten Verneinung. Sie dient in der Regel der Betonung einer Ablehnung. Indem ich Frühling im ersten Litotes mit einem nicht gerade beflanke(!), mache ich klar, dass es eher wintert. Ich verstärke meine Ansicht. … nicht gerade die angenehmste Minute = ich stand im Regen … nicht meine Muttersprache = ich habe keine Ahnung … Alles nachvollziehbar?

Nun, nach diesem nicht eben kurzen Text (Litotes 5) sollten Sie das Prinzip des Litotes nicht ad acta (kein Litotes, nicht jede Verneinung ist einer) legen. Im Gegenteil, machen Sie sich den freudeskreisbekannten Besserwisser aus und bei der nächsten Stehparty beginnen Sie das Gespräch mit diesem Satz: Mir ist nicht unwohl nach dem Genuss der Fingerhappen aus Kobrazahn und Kugelfisch. Weißt du eigentlich, wie ich mich da gerade ausgedrückt habe? Ich bin mir nicht ganz unsicher darüber, dass der Herr dann nicht vor Wut kocht. (Den Satz lasse ich jetzt stehen; ich vermute, er ist Blödsinn, ist aber zu kalt draußen, um das zu überprüfen.)

Auf den weltbekanntesten Litotes macht mich übrigens Wikipedia aufmerksam. Was ist die Queen, wenn ihr etwas gegen das Krönchen läuft? Eben, she’s not amused. Lies: Die Dame kocht vor Wut.

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