Übers Naserümpfen

160622_UnschlüssigHeute machen wir es mal sehr kompliziert. Sehr, sehr. Es geht um die vermaledeiten Adverbien (richtiger Plural, nicht Adverben, auch wenn der Plural von Verb nun mal Verben lautet). Ich klatsche mal einen Textauszug aus einem Werk hin, das die Freude zu bearbeiten ich hatte und habe. Es geht um die Begegnung zweier Menschen. Klaus hat nach dem ersten Treffen, rein geschäftlich, noch ein Telefonat mit Nora geführt.

Und dann steht er da, der gute Klaus. Oder er sitzt. Und was tut er? Er reibt sich über die Nase. Wer sich über die Nase reibt, zeigt (a) dass der Dermatologe dort nicht gut genug gearbeitet hat oder (b) dass die Brille zu sehr drückt oder (c) dass er nachdenkt– irgendwie ein Topos, kommt als Bild häufiger vor.

Und wie reibt er sich über die Nase? Unschlüssig. Er ist sich nicht sicher, nicht schlüssig, unschlüssig: Wie stellen wir uns den vor: jemanden, der unschlüssig reibt? Sieht das anders aus als bei jemandem, der sich, sagen wir mal, siegessicher, über die Nase reibt? Oder gewaltbereit? Oder zornentbrannt? Ich denke nicht, Reiben ist Reiben. Man sieht darin nicht, wie die Person sich fühlt.

Der Autor will eigentlich dies sagen: Nach dem Telefonat mit Nora war sich Klaus unschlüssig. Er rieb sich über die Nase (als Zeichen einer nachdenkenden, konzentrierten Handbewegung). Und was macht der Autor? Erstens verkürzt er zwei Beobachtungen (Nasereiben,  unschlüssig sein) zu einer. Und zweitens bürdet er diesem armen Adverb unschlüssig etwas auf, das das Adverb gar nicht leisten kann. Ich darf den Duden, den geschätzten, zitieren: … ein Wort, das ein im Satz genanntes Verb, ein Substantiv, ein Adjektiv oder ein anderes Adverb seinem Umstand nach näŠher bestimmt. Das Adverb kann lediglich die Art und Weise näher bestimmen, in der er reibt: schnell, hektisch, fahrig, kraftvoll, sanft, zärtlich.

Hektisch rieb sich Klaus über seine Nase. Das geht.

Aber das Adverb hat nicht das Volumen, noch weitere Konnotationen in sich aufzunehmen, die sich aus dem Kontext ergeben; und schon gar nicht so etwas wie den geistigen Zustand eines Menschen, den der Autor hier unterstellt. Fazit: Der Autor ist ein wenig faul. Das stelle ich hier allgemein fest – der Erfinder von Klaus und Nora ist es überhaupt nicht …

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