Als Lektor, Achtung, Werbung: worttaten.de, streiche ich mit Bedacht in solche Wendungen herum: Als sie ihn mit der Taucherbrille im Badezimmer sah, war sie mehr als überrascht. Wobei ich hier nicht auf das Bild eingehen will, dazu unten mehr, sondern auf die Formel mehr als. Was bedeutet dieses mehr als? Sie war überrascht. Und dann, mehr als überrascht? Wie ist man mehr als überrascht? Ich sage Ihnen eines: Dem Mehr-als-Autor fehlen einfach die Worte, besser: Wörter. Er nutzt eine gängige Sprachformel – Sinn: ich bin sehr überrascht – und denkt nicht nach. Niemand kann mehr als überrascht – erheitert – zufrieden – müde – ausgelaugt – irritiert – panikgeschockt sein, als es eben das Adjektiv schon sagt.
Ausweg: eine genauere Formulierung. Als sie ihn mit der Taucherbrille im Bad sah, war sie deutlich überraschter als damals, 1967 beim Doors-Konzert in Antwerpen, als sie ihn in kompletter Tauchermontur dabei erwischte, wie er ein Autogramm von Jim Morrison ergattert wollte. Für Menschen, denen der Storch schon ein Handy neben die Wiege gelegt hat: der legendäre Sänger der Doors. Also merken wir uns für heute den ersten Lernsatz: Formulierungen mit mehr als immer genauer anschauen!
Wobei wir beim Anschauen dieses Bildchens sind, das mir ein geneigter Leser hat zukommen lassen, womit ich auch erkläre, dass ich nur dieses Bildchen habe, keinen Ort, keine Firma, kein nix. Dennoch meinen Dank an den Kontributor.
Wir sehen einen unbekannten Taucher, der wahrscheinlich mit einem Farbeimer und dem Handbuch für flüssige Formulierungen aus dem Sanitärbereich (Bad(!) Soden, 11. Auflage 2016, Autor: Ludwig Klempner(!)) den Sinnsprich beseitigen will. Bäderwelt – Alles und mehr fürs Bad. Herrschaftszeiten, zum heiligen Abflussrohr, geliebte Schütteldusche, bitte! Bäderwelt. Alles fürs Bad. Ja, das geht. Ein Versprechen, wobei wir uns schon fragen, ob die Bäderwelt auch etwas mit Autoreifen oder Kaminholz, beispielsweise, zu tun haben könnte. Aber in Ordnung.
Haben wir also in der Bäderwelt alles fürs Bad. Alles ist viel. Sehr viel. Alles ist alles. Mehr geht eigentlich nicht. Liebling, es ist alles gesagt. Wer jemals in einer anstrengenden Diskussion diesen Satz hört, sollte gehen. Danach kommt nichts mehr.
Hier kommt noch was. Hier kommt nicht nur alles, hier kommt mehr als alles. Sehen Sie, wieder mehr als. Horrender Blödsinn! Da hat jemand nicht nachgedacht. Und der arme Taucher, das ist der mit dem Jim-Morisson-Autogramm von 1967, muss nun wieder wischen.
Dennoch muss einem hier Rio Reiser einfallen, sein König von Deutschland, 1986: Reiser singt: Das alles, und noch viel mehr, würd‘ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär. Na, hören Sie mal, erstens ist Rio Reiser kein Taucher, sondern einfach nur abgetaucht. Und zweitens bitte ich Sie, genau zu lesen. Er würde all das machen (was er vorher aufgezählt hat, dies zum Beispiel: Ich würd‘ die Krone täglich wechseln, würde zweimal baden, würd‘ die Lottozahlen eine Woche vorher sagen. Bei der Bundeswehr gäb‘ es nur noch Hitparaden, ich würd‘ jeden Tag im Jahr Geburtstag haben. Im Fernsehen gäb‘ es nur noch ein Programm: Robert Lembke vierundzwanzig Stunden lang. Ich hätte zweihundert Schlösser und wär‘ nie mehr pleite. Ich wär‘ Rio der Erste, Sissi die Zweite …), und dann würde er mehr als das tun. Da passt es. Rio hat ja auch nachgedacht vor Schreiben.