Depri am Beach

160914_malibuNein, es geht nicht um die Bibel, wenngleich die Wortfolge Prolog – Adam auch auf eine moderne Interpretation des Weltbuchs hindeuten kann. Es geht um knackige Kerlchen, die surfen und natürlich die Damenwelt verzücken. Lesen Sie nur mal den ersten Satz. Da entsteigt so eine Lichtgestalt aus Sixpack, Badehose und Colgate-Lachen den Fluten des Pazifik. Autor des Buchs? Falsch, Autorin; Sie haben es geahnt. Titel? Sag ich nicht.

Warum das Ganze dann? Weil ich mir gestern Abend auf der Seite belleslettres.eu (ein Tummelplatz für Lektoren) noch einmal die 42 Minuten zum Thema Übersteigerung des Ausdrucks angehört habe. These des Autors: Hobbyautoren neigen dazu, alles richtig machen zu wollen, sie wollen deutlich machen, dass sie mit Sprache umgehen können, (ja, da muss ein Komma hin) und hauen fest in die Kerbe. Mit welchem Resultat manchmal? Das lesen Sie hier.

  • Boxershorts, welche tief auf meinen Hüften hingen. Mein Neffe nennt das, was man dann sieht, ein Maurer-Dekolleté. Einerlei, welches ist kein Relativpronomen, die Relativpronomen heißen der, die und das (plus deren Beugungen). Die einzige Sprachsituation, in dem man welcher, welche, welches zulassen könnte, hilft, Wortdoppelungen zu vermeiden: Die Surfershorts, die die hochbegabte Sportlerin Anne-Cathrin … Da darf das erste die auch ein welche sein, selbst wenn es bei Sprachsensiblen knirscht.
  • … des zart roten Balles. Entweder zart-roten oder zarten roten oder zarten und roten. Hier liest sich zart wie ein Adverb: des nur sehr zart (im Sinnen von: zurückhaltend) roten Balles. Aber Herrschaftszeiten, jeder, der schon mal einen Sonnenaufgang am Pazifik gesehen hat, weiß, dass da nichts zart ist; das knallt richtig, gleich, jetzt und sofort. Und Balles? Nun, wir sind hier im Sektor Romantik, da greift man schon mal zur lyrischen Form des Genitivs, nicht wahr?
  • Tage hart und lang. Ja, die Tage sind nicht nur hart, das reicht nicht. Sie müssen hart und lang sein. Anmerkung: Na, wenn man (Zeile vorher) früh aufsteht, um schon zum Sonnenaufgang das Badehöschen ins Wasser zu tauchen, ist der Tag halt lang.
  • … dachte ich leicht deprimiert. Erleben wir Mister Sixpack also mal – die Damen aufgemerkt, der Herr ist deprimiert, da kann man doch mal trösten – weniger stimmungsvoll. Figurendramatisierung gleich im ersten Absatz, Hammer! Und dann? Ein paar Worte weiter: Locker joggend (zum rechtsdrehenden Joghurt) … Wenn das mal keine Therapie ist. Leicht deprimiert – locker joggend binnen Sekunden.
  • Locker durch den Sand joggend. Oh, diese Verlaufsformen! Oh, dieses Partizip Präsens! Liest man immer wieder. Problem: Der Autor will die Geschichte vorantreiben und zwei Tätigkeiten vereinen, hier: Fortbewegung und Beschließen. Und was macht der Autor? Er drechselt. So etwas liest sich verquast, immer! Immer sind Konstruktionen mit dem Partizip Präsens verquast. Bitte auflösen, so etwa: Ich (streifte die anfliegende Depression binnen einer Zehntelsekunde ab und) joggte locker (durch den Sand kann man streichen, wir befinden uns am Sandstrand) und beschloss dabei …
  • … den noch vor mit liegenden Tag verderben zu lassen. Bitte, welchen Tag? Ah, diesen Tag, diesen bestimmten, heute also. Die verbleibenden achtzehn Stunden Depri am Beach. Verstehe. Nein? Ach, er meint den noch vor ihm liegenden Tag. Gut, dann so rum. Aufgeschneckeltes Deutsch. Aufgehübscht, Klingel-Deutsch. Und sagt doch nicht mehr als: …mir den Tag nicht verderben zu lassen.
  • … Holztreppe, welche direkt … Hatten wir. Es reicht! Werft der Autorin bitte mal den 1.400-Seiten-Wälzer Warum welcher kein Relativpronomen ist an den Strand, bitte.
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