Stahl-Netz*

Um mich fürs abendliche (Dinner ist immer am Abend, korr. ML) Dinnieren (ja, wenn man das amerikanische Wort im Kopf hat, schreibt man es falsch. Danke, Frau Hartmann) Dinieren einzuspeicheln, las ich beim Frühstück das Fachblatt Inspiration. Für Gastronomen, Sommeliers, Barkeeper & Genießer. Lecker! Da werden die jetzt noch tiefgekühlte Currywurst mit den jetzt noch tiefgekühlten Pommes-zehn-zehn** zu Faxe-Bier und Joghurt von Lidl für neununddreißig Cent heute Abend etwas Besonderes.

Blätternderweise stieß ich auf dieses Zitat des großen ω Stuart Pigott, eines der renommiertesten Weinkenner weltweit. Nun, Herr Pigott ist Engländer und lebt in Berlin, sehen wir es ihm nach.

Nein, tun wir nicht. Denn auch der großen Wilhelm Schüttelspeer, ebenso Engländer, Romeo and Juliet und so, hätte dieses schiefe Bild nicht zugelassen, es sei denn als Schüttelzitat in einer seiner Schüttelkomödien wie Viel Lärm um nichts. Wir lesen …

Bei einem begabten Winzer … ist ein Edelstahltank wie das Netz eines Schmetterlingssammlers. Er erhascht damit Weinaromen.

Uppssssss, wir haben einen Edelstahltank, edel, stählern, undurchlässig, nicht wahr? Und wir haben als Konterpart in dieser Analogie das Netz eines Schmetterlingssammler – durchlässig, baumwollen, nun gut, ebenfalls edel. Aber die Haupteigenschaft dieser beiden Gefässe, Netz und Tank, ist ja wohl nicht die Zuschreibung edel. Ehrlich, da passt nichts, um die Analogie geschmacksrund und mit feinem Abgang von Brombeeren und Anis zu aromatisieren.

Das war mal voll neben das Glas gezielt!

Und dann das Verb erhascht. Es zielt mit der Wucht von einhundert Grad Öchsle auf das Netz für den Schmetterling. Ein Tank kann nicht erhaschen. Und Aromen kann man mit vielen Dingen einfangen, aber gewiss und überhaupt nicht mit einem Schmetterlingsnetz.

Zur Beruhigung, Herr Pigott, ich mag Analogien. Und auf den ersten Blick, den noch unverstellten am Morgen ohne Hickshicks …, liest es sich klasse. Und sicherlich auch beim vierten, nach dem dritten … Glas Wein am Abend. Aber beim zweiten Blick verursacht dieses Bildchen einen leichten Kater im bei mir scheunentorgroßen Sprachzentrum. Ich weiß, Herr Pigott, das Sprachzentrum ist bei jedem Menschen wohl annähernd gleich groß. Ich sag’s ja nur so …

Darauf ein Faxe-Bier!
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
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Stahlnetz war eine Krimireihe Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger, produziert vom NDR. Schauen Sie ω hier.
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Früher kostete eine Schütte Pommes im gewellten Schälchen achtzig Pfennig. Pommes-zehn-zehn hieß: Wir hatten die Spendierhosen an, weil wir soeben Vaters Schachfiguren frisch geputzt hatten, Lohn: fünfzig Pfennig; die anderen fünfzig Pfennig gab es für den freiwilligen Verzicht aufs Handy(!) und den auf die Lektüre der Bravo. Stiefelten wir also mit einer Mark zum Pommes-Stand, achtzig für die Kartöffelchen, die eingefetteten (heute: bäääääh!), und je zehn Pfennig für einen Klecks Mayonnaise und einen Klecks Ketchup. Alternative Fakten … ähhh Ausdruckweise: Pommes-weiß-rot.

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