Neues aus dem Fach Mimik

Zartbeseelte lesen jetzt nicht weiter. Ich verteidige hier nicht nur den kernigen Ausdruck; ich verteidige auch die ungewöhnliche Konstruktion – und verneige mich mal wieder vor unserer Sprache. Ja, darf der Autor das, darf der Autor so was schreiben. Und Sie als Lektor, markern Sie so etwas nicht an?

Erstens darf ein Autor alles schreiben, wir haben Freiheit der Kunst, bitte. Wer will ihm das verbieten? Zweitens, der Lektor als erster Leser des Werks? Na, hören Sie mal! Ja, ich habe das angemarkert, diesen Ausdruck in dem noch nicht erschienenen Thriller. Ich habe dazugeschrieben: Klasse, so mag ich das, das Deutsche in seinen Facetten ausgeleuchtet, bravo! Fleißkärtchen!

Die Dame in dem Team der Kriminalisten hat einen Heidenwut. Sie ist mit ihrem Partner in einen Hinterhalt geraten. Der Held beobachtet seine Partnerin …

Sie hatte wieder einmal ihr Ich-schnapp-mir-das-Schwein-Gesicht aufgesetzt.

Herrlich! Jeder weiß, wie dieses Gesicht ausschaut: eng stehende Augen, düster, Nase kraus wie die Stirn, die Sprich-mich-jetzt-ja-nicht-an-Miene(!), die Hand an der Baretta-Smith&Wesson, die Sportschuhe neuester Stand samt Knien und Schenkel und trainiertem Herz zum Spurt bereit. So sieht das Gesicht aus.

Nun, werfen Sie Feingesinnte ein, man könnte es doch näher beschreiben, das Gesicht, so wie Thomas Mann das Antlitz von Tadzio im Tod in Venedig … oder Umberto Eco einen sterbenden Mönch. Könnte man. Muss aber nicht. So passt es, so ist es gut. So sieht jeder, was gemeint ist.

Und dann … ja, und dann der überlegene Ausdruck mit diesem bisher ungelesenen neuen Koppelwort-Nomen. Alles richtig gemacht: vorn groß, in der Mitte alles wie sonst auch, letztes Wort groß, Bindestriche direkt dran, keine Gedankenstriche.

Ich probiere gerade mein Ich-bin-verzückt-Gesicht(!). Und wünsche einen feinen Tag.

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