Gestern, liebe Leser, habe ich Ihnen ein Beispiel für wirklich gute Literatur gezeigt. Friedrich Anis Beschreibung einer Dame hatte wirklich Klasse. Aber Sie kennen mich auch als Kanonenboot in der Idylle. Nein, liebe Leserinnen, ist es nicht alles gut. Und daher zeige ich Ihnen heute mal einen Text, bei dessen Lesen sich mir die Fußnägelchen derart bogen, dass die Pediküre Sondereinsätze schieben musste. Und wie immer: bei Miesem keine Namen.
Auf in den Text!
Ich bin so froh, dass Sie rechtzeitig gekommen sind …
Das geht ja noch, wir erleben einen frohen Menschen. Dann sagt er, warum er so froh ist. Jemand hätte sonst Dreckszeug geraucht. Wohlgemerkt, er sagt nur das. Und dann weitet der Autor die Augen seines Protagonisten in jener Art und Weise, wie es Ungeübte gern tun: per um sich schlag-kräftigem Adjektiv.
Mit schreckgeweiteten Augen …
In meinem Brot- und Drogenberuf als Lektor frage ich Autoren an solchen Stellen immer: Welches Adjektiv, welches Adverb wollen Sie einsetzen, wenn noch etwas weitaus Schlimmeres passiert? Wenn die Mutter, 69, sich anzieht wie ein Teenager, der Vater zur AfD überläuft oder die Schwester einen Schlagersänger heiraten will? Bei den echten Schicksalsschlägen des Lebens also.
Klar ist hier: Die Schreiberin will sagen, dass er entsetzt ist. Was sieht sie in dem Moment? Das Einzige, was die Fantasie zulässt, ist ein Element aus der Welt des Comic: Herr Duck vor seinem leeren Geldspeicher, um ein Beispiel aus der weltbekanntesten Heftchenserie zu nehmen. Donalds Augen größer als das gesamte Bildchen, darüber: &&Q§=/%§( und andere gedachte Flüche.
Was fehlt dem Autor? Sprachvermögen.
Zu hart, sagen Sie? Na, lesen Sie mal weiter.
… sagte er unglücklich.
Mannomann! Himmelhochjuchzendzutodebetrübt auf zehn Zeilen, so froh bis unglücklich. Empfundene Zeit im Buch zwischen diesen Extremen: zehn Sekunden. Das ist schnell, vor allem: Das ist nicht echt. Da denkt der Autor, aber der Held kommt nicht nach.
Ist er wirklich unglücklich? Ja, denn es scheint ihm nicht gut zu gehen. Wer wie wahnsinnig, aber erfolglos an einer Hilfestellung herumgrübelt, ist nun mal kein Heppy-Peppy-Seppy. Das wissen wir, das steht da, wir sehen es, wir fühlen es im besten Fall.
Aber muss der Autor das noch mal sagen? Muss er noch mal sagen: Dummer Leser, du! Hast du begriffen, dass der Protagonist leidet? Nein? Dann schreibe ich es für dich noch mal dahin, pass einfach besser auf! Die Schreiberin schreibt es. Sie schreibt aber zugleich ihr eigenes Armutszeugnis.