Zu berichten ist heute von einem Phänomen, das ich wahrnehme, wenn ich Fremdes lese. Es sind weniger Autoren, die zu mir kommen, um ihr Buch beackern zu lassen. Es ist meist von Laien geschrieben, irgendwie öffentlich. Und ja, ich gebe Ihnen recht. (1) Manch Mensch sollte sein Geschreibsel seinem Tagebuch anvertrauen und eben dieses Büchlein gut verschließen.
Wir gehen nach Rüdesheim, Drosselgasse, die berühmteste Gasse der Welt, in der Menschen zu schlemmen und ihre kurzen Hose zu E-Bikes zu tragen und zu beschauen lassen pflegen (Hilfe, was für ein Dumpfsatz! Notiz an mich selbst: So was künftig lassen!). (2) Ich las dies auf Twitter.
(3) In diesen Zeiten ist die Gasse leer. Kein Wunder. (4) Und so lesen wir unter dem Bild …
Die kleine Weinstadt am Rhein, zählt in normalen Zeiten alljährlich mehr als drei Millionen Besucher.
(5) Nun rufen die Wirte verzweifelt um sich und zu jeden einzelnen Feierwütigen: Komma her!
(6) Ist das nicht ein wunderbarer Übergang zum eigentlichen Problem dieses Satzes? Habe ich Sie nicht allerfeinst mit dem Problem vertraut gemacht, das ich heute besprechen möchte: das Komma.
Nein, es ist nicht das Komma schlechthin; es ist das Komma der vollkommen unmotivierten Art. Es gibt in diesem Satz, der ein einfacher Aussagesatz ist, überhaupt keinen Grund, ein Satzzeichen einzuführen. Der Satz hat keinen Relativsatz, der Satz hat kein Nebensatz, der Satz hat keinen Einschub, keine Aufzählung, nicht mal eine hässliche Partizipialkonstruktion am Eingang (Die aktuellen Zahlen mal zugrunde gelegt – fakultatives Komma –, zählt die kleine Weinstadt …). (7) Der Satz hat nichts außer einer atemberaubenden Geradlinigkeit. Er ist ein Satz, so wie ich ihn mir wünsche.
Es ist ein Satz, wie es mir an diesem Montag bisher zu schreiben nur sieben Mal gelungen ist: Ich zeige mal die Satzanfänge, damit Sie sehen, was ich meine:
- Manch Mensch …
- Ich las dies …
- In diesen Zeiten …
- Und so lesen wir …
- Nun rufen die Wirte …
- Ist das nicht …
- Der Satz hat …
Es sind die sieben nummerierten Sätze, ohne Komma. (8) Alle anderen Sitze führen die Kommata – hoffentlich – an der richtigen Stelle. (9) Das Komma im Beispielsatz indes steht da völlig ohne Motivation.