Rücktreten von der Bahnsteigkante

Neulich mal wieder Bahn gefahren. Und im Taxi auf dem Weg zum Bahnhof sehe ich nach einer Unterführung unter Bahngleise – jetzt reicht es allmählich mit der Erwähnung des Worts Bahn – diese Werbung für die neue S-Bahn Nürnberg, die ich ehrlich gesagt noch nicht wahrgenommen habe, die neue S-Bahn, meine ich.

Abgesehen davon, dass ich Bahn fahren in der ersten Klasse in diesen Zeiten wirklich nur empfehlen kann, fällt einem natürlich diese Werbung auf. Sie ist schlicht. Sie zeigt ein Bild der – wohl – neuen S-Bahn-Züge. Einschub: Mit der S-Bahn zu fahren ist in diesen Zeiten vielleicht nicht wirklich ratsam.

Die Werbung ist also schlicht, der Spruch auch.

Auf die Plätze – fertig – los!

haben wir schon gebrüllt, als wir noch für das Bundesjugendsportabzeichen die vierhundert Meter um den Sandplatz liefen. Oder mit der Hand Mutters Erdbeerkuchen wettaßen.

Haben Sie aufgepasst?

Da steht gar nicht Auf die Plätze – fertig – los! Da steht …

Fertig.
Auf die Plätze.
Los!

Und das ist natürlich etwas vollkommen anderes. Das ist ein Spruch, der durch die Hintertür, nach einer kleinen Pirouette, ins Knie schießt, um dann aus Herz und Hirn ans Tageslicht zu tröpfeln.

Hier sagt der Werber: Erstens: Die neue S-Bahn ist fertig. Hat lange gedauert.

Zweitens: Kommt alle auf die Plätze, die sind frisch bezogen.

Drittens: Und dann geht’s los. Der Typ mit der Pfeife pfeift gleich an der Bahnsteigkante.

Aber mal ehrlich, auch wenn wir generell Wort-Spiele mehr schätzen als Olympische unter Drogen, so umwerfend ist der Spruch auch nicht. Wir halten den Textern mal zugute, dass sie nachgedacht haben.

Und dann? Etwas Ratlosigkeit. Und wir möchten uns gar nicht vorstellen, wie es in Zeiten nach Corona auf den Bahnhöfen um 7:15 Uhr aussieht, wenn die Menschen auf dem Weg ins Büro diesen Spruch sportlich und ernst nehmen. Das sagt dann niemand mehr: Bitte treten Sie von der Bahnsteigkante zurück!

Da ist die Bahnsteigkante sozusagen der Startblock.

*Anzeige: Die Seite enthält Links zu mehreren Webseiten, auf denen Sie Bücher bestellen können. Hierbei handelt es sich um Werbung. In eigener Sache zwar, aber Werbung bleibt Werbung, weshalb ich Sie an dieser Stelle darauf hinweise.