Aktiv und draußen

Auch wenn es derzeit in den Herbst hineingeht, lohnt es sich, auf die Freude zu schauen, die meine Heimatzeitung, die Nürnberger, am Ende der vergangenen Woche verbreitet hat, ob des wunderbaren Wetters, das man goldener* Oktober nennt.

Die Redaktion empfiehlt dort Draußen-Aktivitäten, und wir halten zunächst einmal fest, dass sie das englische Wort Outdoor-Activities umschifft hat. Draußen, das ist zumindest Deutsch – und der einzig passende Einsatz, wenn es um draußen geht.

Aktivitäten aber ist so ein Unwort. Ein gehöriges. Es ist zwar lateinischen Ursprungs (activitas, die Tätigkeit), kommt auch elegant aus dem Französischen (activité), ist aber in der deutschen Freizeitgesellschaft meist konnotiert mit den englischen activities – und wanderte von dort direkt in die Aktivitäten. Ich weiß nicht, wann dieses Wort einen Plural bekam. Und ich weiß bis heute nicht, warum es einen bekam.

Wenn heute jemand, wie die Dame auf dem Bild, zu laufen beginnt, unternimmt sie etwas. Wenn sie nach dem Laufen noch eine Parkbank-Rast einlegt und 1.000 Meter durch ein Becken krault, dann hat sie drei Unternehmungen eingelegt, drei teils sportliche Leistungen hinter sich gebracht, ja, sie war aktiv. Strickt man daraus Aktivitäten, so macht man aus ihrem Tun eine Monstrosität – und nicht drei Tätigkeiten. Sie kutschierten am Sonntag mit ihrem alten Mercedes ins Café an den Wannsee. Dort tranken sie zwei Berliner Weiße und vier Kännchen Kaffee. Nach diesen Aktivitäten(!) fuhren sie nach Hause. 

Ältere Duden lassen den Wortstamm Aktivität im Finanzsektor zu (Aktiva) und bezeichnen so die Gesamtheit der Studierenden einer Verbindung (Activitas), und sie beschreiben eine Tätigkeit. Und auch der aktuelle Duden warnt vor dem Plural von Aktivität: 1. <ohne Plural> aktives Verhalten, TäŠtigkeitsdrang, Energie; Wirksamkeit: die politische AktivitŠät der Partei hat sich verstäŠrkt; AktivitäŠt entfalten.

Den Plural sollte man nur setzen in Verbindung mit dem, was Politiker oder Marketender heute einen Maßnahmenkatalog (noch so ein Unwort) nennen: 2. <meist Plural> Handlung, TäŠtigkeit, Maßnahme: illegale, terroristische AktivitŠäten; sportliche, wirtschaftliche AktivitäŠten. Dann muss es aber schon ein ganzes Bündel sein, und selbst dann mahne ich zur Vorsicht: Er bereitete sich ein Jahr lang darauf vor, an den Olympischen Spielen im Rudern teilzunehmen. Seine Aktivität brachte ihn bis nach London. – Zu viert bestiegen sie den Montblanc; ihre Aktivität blieb nicht unbemerkt. Himmel, mir fallen sofort ein paar Wörter ein, die besser wären als diese Aktivität: Tun, Klettern, Aufstieg, Sport, Kraxeln.

Und auch im Beispielsatz aus der Zeitung, suchte man besser nach anderen Wörtern: Freizeitsport, Samstagskaffeeundkuchen, Übungen. Warum langt es denn nicht aus zu sagen: … Temperaturen bis 19 Grad locken zu sportlichen und anderen Unternehmungen nach draußen …

Nachtrag, gleicher Tag, 14 Uhr: Kaum sagt man es, schon zieht die Heimatzeitung nach. Die Aktivitäten haben sich vom besonnten Vergnügen verlagert auf die Wirtschaft. Siemens will sich aus der Solar-Sparte zurückziehen. In diesem Zusammenhang lassen wir die Aktivität gelten, als Plural der Einzelengagements, die Siemens ins Sonnige(!) gesteckt hat. Zwar wäre hier der Singular Aktivität besser gewesen, eben weil das Wort die Summe aller auf diesem Feld platzierten Anstrengungen von Löschers Mannen gut umreißt. Aber immerhin … Und doch ein kleines Meckern: Kann man Aktivitäten verkaufen? Sie verkaufen ein Geschäftsfeld oder das Unternehmen verkauft Aktiva. 
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
* Waren Sie in Versuchung, das golden hier großzuschreiben? Vergessen Sie es. Golden ist hier nichts anderes als ein Adjektiv, das eine bestimmte Oktober-Eigenschaft bezeichnet. Wenn Sie golden großschreiben, machen Sie daraus einen Eigennamen: das Goldene Horn in Istanbul, das Goldene Kalb, aus der Bibel, um das man tanzt. In meiner Erinnerung gibt es einen Wein, der so heißt. Und es gibt den Schwarzen September oder den Roten Oktober, eine Terrorgruppe der Palästinenser aus den Siebzigern und ein Buch, beides Eigennamen. 

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