Wer ist denn hier nicht anwesend?

Das ist ein Ausschnitt aus der Nürnberger Zeitung von gestern. Es geht um die Syrer und die Türken, die nun überlegen, wie sie die Chose mit dem MiG-Abschuss so hinbekommen (korr, besser: glätten), dass ihnen nicht die ganze Region um die Ohren fliegt. Wird schon …

Aber nur mit ausgeschlafenem Personal, bitte. Vor allem an der Spitze. Recip Tayyib Erdogan jedenfalls, der Ministerpräsident (und damit in der Türkei im Range einer Frau Merkel, nicht eines Herrn Seehofer), legte sich nach einer Reise von Rio de Janeiro zurück erst einmal aufs türkische und hochherrschaftliche Ohr – strapaziös sei die Reise gewesen. Bevor wir nun darüber spekulieren, ob Erdogan mit der Holzklasse seiner Turkish Airlines – immerhin Europas Nummer eins – fliegt, statt mit einem eigenen Dienstflug-Gerät samt Fax und Konferenzraum und Bewirtung und damit durchaus prätentiös, aber angemessen und unstrapaziös reist – bevor wir das nun alles auf seinem Wahrheitsgehalt abklopfen, schauen wir uns doch mal ein Wort genauer an.

Erdogan habe, so heißt es weiter unten, eine merkwürdige Absenz am Tag danach gehabt. Nun, der Autor wollte wohl seine akademischen Hochbildung unter Beweis stellen und klarmachen, dass er das französische absence auch einfach in einem guten deutschen Satz einbauen kann, ohne dass der Cheflektor des Hauses das bemerkt. Gefehlt! (Doppelter Wortsinn dieses feinen Worts: im Sinne von: … falsch! … und im Sinne von: der Cheflektor fehlt …). Die Absenz nämlich, sie hat im Deutschen mit dem Fehlen eines Lebewesens nichts zu tun: Cirankowiak zeigt seine Teilnahmslosigkeit wieder mal durch seine Absenz …heißt nienimmernicht, dass Cirankowiak nicht anwesend war. Sie glauben das nicht, weil sie auch solche feinen Sätze bauen wollen? Dann lesen Sie mal im Duden, was da zu Absenz, Plural: Absenzen steht; ich darf zitieren:

a) (bildungssprachlich) das Fehlen, Nichtvorhandensein von etwas: die Absenz von Stšörungen, von LäŠrm;  eine Absenz aller Werte. Zitat a) Ende. Lesen Sie noch einmal: Das Fehlen von etwas, von einer Sache, einer Sache, einer Sache, nicht eines Menschen. Cirankowiak ist aber ein Kerl, Erdogan auch. Also kann Möglichkeit a) nicht zutreffen.

b) (besonders šösterreichisch, schweizerisch) das Abwesendsein von einem Ort: sich fŸür seine Absenzen entschuldigen. Zitat b) Ende. Noch mal lesen, bitte – österreicherisch, schweizerisch. Noch ist Franken nicht annektiert …

c) geistige Abwesenheit. Zitat c) Ende. Meint man das? War Erdogan anwesend, aber eben nicht im Vollbesitz? Herrschaftszeiten, eine merkwürdige Absenz, das muss eine geistige Abwesenheit sein …

Hoffentlich nicht, hoffentlich wollte ein deutscher Journalist nur mal kurz zeigen, was er draufhat – und greift knapp daneben. Und wir fragen: Warum sagt man in diesem Beispiel nicht einfach Abwesenheit?

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