Attacke!

Und manch Linker hat schnell den Verdacht, es werde ein rechtes Süppchen gekocht, wenn man den kulturellen Wert der deutschen Sprache benennt. Wer das sagt, steht links, also links im Bildchen: Es ist die Berliner Sektion von Attac, der Gruppe der Globalisierungskritiker. Die haben sich vorgenommen, Sprache und deren Bezug zu Machtverhältnissen intensiver zu betrachten. Ich sage dazu nur: hört!, hört! Denn von denen, die gewohnt sind, international zu arbeiten, hätte man eine solche Ansicht nun überhaupt nicht erwartet. Und dass Attac die deutsche Sprache als sprechens- ja, schützenswert bezeichnet, freut mich sehr. Wer dieses Papier im Ganzen lesen möchte, klicke bitte hier.

Schauen wir doch mal in die Begründung, die dieses frische Papier liefert (auf das dankenswerterweise der VDS eV., der Verein Deutsche Sprache, in seinem aktuellen Rundschreiben aufmerksam macht); ich darf zitieren, und erwähne nur mal so nebenbei, dass natürlich politische Statements Grundsatzpapiere in der Regel ausführlich geraten; ich bin sicher, noch nie ein so langes  Zitat hier eingebracht zu haben. Nun aber los: Ein weiteres Bespiel für die gezielte oder unbewusste Veränderung unserer Sprache ist die Flut von Anglizismen, mit der wir mehr und mehr zu tun haben. Wir halten auch hier Vorsicht für angemessen. Oft bedeutet die Verwendung von Begriffen einer anderen Sprache nicht unbedingt Vereinfachung oder Präzisierung, oft ist es keineswegs so, dass es kein angemessenes deutsches Wort gibt, hier werden Haltungen und Werte transportiert. Zumal es sich ja meist auch um Begriffe aus einen bestimmten Zusammenhang handelt, nämlich dem Zusammenhang der Technik und der Effizienz. Die Technisierung von Sprache fördert die Technisierung der Welt. Interessant ist ja auch, warum es gerade die Deutschen für so schick halten, möglichst viel zu anglifizieren*. In manchen Subkulturen in Deutschland verständigt man sich fast nur noch auf Englisch. Spanier verschicken nach wie vor ihre correo electronico und benutzen einen ordenador. 

Das stimmt alles, das ist klug, das ist dankens- und lobenswert.

Dies war der Teil, in dem Attac sich mit den Anglizismen befasst. Die politische Kernbotschaft steht weiter oben. Sie handelt vom Missbrauch der Wörter. Sprache und sprachlichen Bedeutungen können wir nämlich auch heute wieder in der politischen Auseinandersetzung beobachten. Begriffe, mit denen einmal eine politische und soziale Verbesserung assoziiert werden konnte, wie „Reform“, „Flexibilisierung“ oder „Freiheit“ haben im Gebrauch neoliberaler Vordenker eine völlig andere Bedeutung angenommen. Reform bedeutet heute Abbau des Sozialstaates, Flexibilisierung die Aufhebung des Kündigungsschutzes, Freiheit die Freiheit der Investoren und Spekulanten, und aus Reichen sind Leistungsträger geworden.

Dies geht auch einfacher: Man nennt diese Tarnwörter, die mit feinem Klang Missstände kaschieren, Euphemismen. Sie machen aus Kriegstoten Kollateralschäden und aus Müllkippen Recycling- oder Wertstoffhöfe. In der März-Ausgabe des Deutschen Sprachkompasses, den ich verantworte, habe ich mich mit diesem Phänomen beschäftigt. Grundsätzlich aber stehe ich hier auf, freue mich und klatsche Beifall. Gedanklich …

*Das neue Verb anglifizieren übrigens, das mir gut gefällt, weil es die Freiheit unterstreicht, neue Wörter zu bilden, hatte ich hier bereits erwähnt.

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