In my Barbie World …

Ich mag es, wenn jemand neue Wörter erfindet. Nicht, dass die Sprache neue Wörter benötigte – aber sie verträgt sie gut. Sie nimmt sie auf, und je mehr Menschen sie nutzen, desto sicherer ist es, dass das neue Wort irgendwann auch in den Lexika steht.

Ob das Wort Barbifizierung dort jemals landet? Nein, denke ich. Der Vorgang, den es beschreibt, ist gesellschaftlich zu klein, um Strahlkraft in die gesamte Gesellschaft zu haben. Und er ist ein wenig peinlich für die Betroffenen.

Was war passiert? Der amerikanische Kosmetikmischer CoverGirl präsentierte die Sängerin Taylor Swift in einer Anzeigenkampagne für Mascara (für die in den 60ern und 70er geborenen Herren unter uns: Wimperntusche). Frau Swift ist faltenfrei. Frollein Swifts Wimpern erschienen derart perfekt, dass sogar die CoverGirler in kleiner Schrift unter dem Bild anmerkten Wimpern wurden in der Postproduktion nachgebessert.

Ein solcher Satz hieße, übertragen auf aktuelle Verhältnisse in der deutschen Politik, so viel wie: Ich habe als Bundespräsident meine Doktorarbeit bei Herrn zu Guttenberg abgeschrieben, meinen Kredit bei einem befreundeten Finanzoptimierer auf den Caymans absichern und in Liechtenstein versteuern lassen, meine Gattin bei einem russischen Escort-Service bestellt und die Stimmen zu meiner Wahl von Frau Merkel mit Hilfe meiner guten Freude gekauft.

Klartext: So etwas geht gar nicht. So etwas gibt man nicht zu; so was sagt man nicht – man täuscht lieber und hofft, dass der Wimpernstift reißenden Absatz findet, um sich mit dem Gewinn noch elaboriertere Trickser und Tricks- und Pfuschprogramme kaufen zu können. Doch obwohl die Hersteller zugaben, digital den Herrgott auf die Sprünge geholfen zu haben mit einem Bildbearbeitungsprogramm, schloss die National Advertising Division der USA die Anzeige jetzt aus – ein einmaliger Vorgang.

Recht habens! Bravo!

Wie aber nennt man dieses ewige Nachkosmetisieren? Das Tuschen und Retuschen und Retuschieren bis die Haut aussieht wie die eines Püppchens, einer Barbie? Barbie-Fizierung. Klasse, Macher von süddeutsche.de (nachzulesen hier: süddeutsche.de von heute).

Drei Anmerkungen dazu, untergeordnet
(1) Etymologisch perfekt: Die Herkunft von Barbie geht zurück auf Mattel, born in 1959, seither nie älter geworden – und die Endsilbe -fizierung ist lateinischen Ursprungs, entspringt dem Verb facere, machen. Es ist die Barbie-Machung.
(2) Denkbar wäre auch: Barbieisierung – aber wer will dieses Wort mit so vielen IE ohne eine Buchstabenhöhe oder -tiefe dazwischen lesen? Da ist Barbiefizierung viel schöner. Zwei IE in einem Wort – wo gibt es das schon?
(3) Die makellose Taylor Swift sieht nicht nur in der Anzeige aus als habe sich die Struktur ihres Kinderpopos im Zustand von sechs Monaten in den Gesichtszügen auch  22 Jahre später konservieren lassen. Schauen Sie sich mal Ihren Netzauftritt an – erschrecken Sie hier.

*Anzeige: Die Seite enthält Links zu mehreren Webseiten, auf denen Sie Bücher bestellen können. Hierbei handelt es sich um Werbung. In eigener Sache zwar, aber Werbung bleibt Werbung, weshalb ich Sie an dieser Stelle darauf hinweise.