Wenn der Staat zu den Seinen spricht

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Wenn in diesen Tagen Beamte oder Regierungsmitglieder vor die Kameras, Mikrophone und Notizblöcke schreiten, haben sie es schwer: Sie müssen Linderung versprechen und sagen, wie es weitergeht mit dem Hochwasser, woher das Geld kommen soll oder niedriges Wasser. Oder warum es schlimmer wird. Und so kommen dann Sätze zustande wie dieser: Möglicherweise werden wir eine Entwicklung bekommen, die zu diesem Hochwasser führen könnte, das bisher noch nie dagewesen ist. Sagt unser Ministerpräsident, und nicht mal die Süddeutsche, die ehrenwerte, redigiert diesen Satz.

130605_Seehofer2Was an diesem Satz so merkwürdig ist? Hey, er ist ein Musterbeispiel für zwei aufeinander folgende Relativsätze. Der Hauptsatz heißt … möglicherweise werden wir eine Entwicklung bekommen … Feiner Satz. Eine Vorhersage. Diese Entwicklung führt – erster Relativsatz – … zu einem Hochwasser, das – zweiter Relativsatz – … bisher noch nicht dagewesen ist.

Der Herr vom Landkreis Nordsachsen, der sich zum Hochwasser ebenfalls äußert, macht es nicht besser: Es ist davon auszugehen, dass die Pegelstände des Hochwassers von 2002 erreicht und überschritten werden können. Das ist feinstes Beamtendeutsch.

Beamtendeutsch oder Kanzleideutsch erkennen Sie an einer nominalisierten Sprache – und am Passiv ( …erreicht und überschritten werden können.) Überdies fehlt der Handelnde.

Spreche ich über Sprache vor Fachleuten, sage ich es drastischer: Der Täter verpisst sich im Passiv, niemand kann ihn dingfest machen. Wer Es ist davon auszugehen, sagt, sagt nicht: Wir gehen davon aus. Er zieht sich aus der Verantwortung. Ist ja auch etwas Unangenehmes, so ein Hochwasser. Da liegt die Sprache der Distanz näher als die direkte.

Spricht der Politiker etwas aus, das ihm positiv erscheint, bestimmt er sich als Handelnden: ich habe gefordert … ich habe entschieden .. ich haben durchgesetzt.

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