Wer diebt denn da?

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Oh, das ist gemein, das ist eine gemeine Frage, ein sehr sehr gemeine. Die Frage, welches diebische Verb im Duden steht, bildete am Freitag bei Wer wird Millionär eine Hürde, und mein Sohn, immer darauf bedacht, sein Allgemeinwissen zu stärken, hat dieses Bild für seinen Vater direkt vom Gerät gemacht. Er schickte es mir, während ich mit Freunden beim Essen war. Ich fragte, welche Hürde es sei. Es war die von 125.000 Euro.

Ehrlich gesagt: Hätte ich auf dem Stuhl gesessen, ich hätte gebockt. Ich wäre ausgestiegen. Ich hätte Herrn Jauch gesagt, ich tippte auf Antwort D, auf wilddieben, hätte mich aber nicht getraut. Ich hätte es nicht gewusst.

Und diese Frage ist deshalb so gemein, weil man es nicht wissen kann. Selbst jemand wie ich – im Besitz von mehr als einer Handvoll Duden aus allen Jahren, mit dem großen Duden auf dem Rechner und mit einer Duden-Applikation auf dem iPhone – selbst jemand wie ich, der dauernd im Duden blättert, wäre darauf angewiesen gewesen, irgendwann einmal zufällig über das Wort gestolpert zu sein. Und sich dieses ungewöhnliche Wort gemerkt zu haben. Ich hätte auch im 1919er-Duden blättern können oder im 1934-er oder im DDR-Duden von 1977: Alle kennen die Lösung. Nur ich nicht.

Hätte ich zu diesem Zeitpunkt des Spiels noch die Frage an einen Zuschauer im Saal gehabt, ich hätte diese Chance genutzt in der Hoffnung, einer der Anwesenden sei zufällig über das Wort gestolpert oder Wortforscher oder Mitglied der Duden-Redaktion. 50:50-Chance? Welches Wort wollen Sie ausschließen? Freund anrufen? Selbst meine beiden Korrekturleser, die ich gefragt habe: Fehlanzeige. Nur Mutmaßungen.

Gemein, das!

Und was sagt der Wahrig, das andere große Deutsche Wörterbuch? Fehlanzeige in der Ausgabe mit 1.726 Seiten mit 260.000 Stichwörtern; das große Deutsche Wörterbuch von Wahrig, sechs fette Bände stark, erwähnt das Wort, als Synonym für wildern. DWDS, das digitale Wörterbuch der Deutschen Sprache im Internet: Fehlanzeige. Es führt allerdings 59 Treffer des Nomens zu diesem Verb an. Ich suche das Wort im Internet. Ich finde keinen Hinweis auf das Verb, lediglich die Sprachseiten, die sich mit Flexionen befassen. Und ich finde natürlich Hinweise auf das Nomen. All das nährt den Verdacht, dass das Lösungswort in den vergangenen 50 Jahren im Duden vor sich hinschnarchte, ohne jemals erwacht zu sein in der Öffentlichkeit: Es wird nicht benutzt.

Bildschirmfoto 2013-01-26 um 12.53.06Sie rätseln immer noch, was die Lösung sei? Ich führe sie hier an, mit der Flexionstabelle zum Verb. Merkwürdige Konstruktionen, nicht wahr? Was hat Ernst eigentlich gestern Abend im Wald gemacht? – Mal wieder gewilddiebt. – Sie wilddiebten wie wild. – Hör endlich auch zu wilddieben!

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