Die Tüddelchen um Wörter

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Geneigte Leser meiner kleinen, feinen Schreibwerkstatt wissen, dass ich ein Gegner der Anführungszeichen bin, die Wörter bekränzen und immer auch klarmachen, dass man sich von diesen Wörtern distanziert – oder man setzt Eigennamen in Anführungszeichen, gerade so, als seien diese Namen nicht bekannt. Zuletzt habe ich mich intensiver um diese Tüddelchen gekümmert, als die „Azzurri“(!) und die „Three Lions“(!), die italienische und die englische Nationalmannschaft, gegen uns kickten und der „Magier“(!) Pirlo magisch zustieß. Das war im feinen EM-Sommer 2012.

Nun lese ich in meiner Heimatzeitung, der Nürnberger, über einen Besuch von Rupert Neudeck im Gazastreifen. Überschrieben ist das Ganze mit Ein Besuch im AnführungFreiluftgefängnisAbführung Gaza. Mein erster Angang: Hey, Gaza ist ein Freiluftgefängnis in den Augen des Besuchers Neudeck, warum also sagt ihr es nicht einfach so? Mein zweiter: Es ist ein Zitat, und da der Begriff eher ungewöhnlich ist, sollte man ihn auch als Zitat Neudecks in Anführungszeichen setzen.

Bildschirmfoto 2013-03-19 um 11.28.11Mein dritter: Der Ausdruck Freiluftgefängnis mag ja ein Zitat Neudecks sein; aber so neu ist der sicherlich nicht. Und da lag ich richtig. Eine Google-Suche ergab, dass viele vor ihm den Streifen als ebensolchen Knast bezeichneten. Das Wort ist eingeführt. Ja, es scheint sogar zu einem ständigen Begleitwort des Gaza-Streifens geworden zu sein. Der Ausriss aus der Google-Suche, den Sie links sehen, ist wirklich ein zufälliger: zweite Seite der Suche.

Und was schließen wir daraus? Auch hier kann die Zeitung ohne die Tüddelchen auskommen. Sie stören. Macht sich die Redaktion so mit einer Ansicht gemein? Ja. Na und?

Ist der Außenminister auch dieser Ansicht? Nein. Lesen Sie bitte, was der Freitag zu einer Diskussionsrunde von Herrn Jauch schreibt: Dass der Gaza-Streifen ein Freiluftgefängnis sei, wollte Westerwelle nicht bestätigen. Während der Außenminister stets vom Raketenbeschuss der Hamas sprach, ließ er die Verbrechen der israelischen Armee in Gaza und im Westjordanland links liegen und ging in keinster Weise auf diese ein. Nun überlesen wir mal den unfeinen, ja falschen Ausdruck in keinster Weise, dessen ich mich hier angenommen hatte, und halten einfach fest, dass das Freiluftgefängnis als Begriff Einzug gehalten hat ins Deutsche – wenn es schon bei Herrn Jauch auftaucht. Darf also ohne Tüddelchen auftauchen …

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