Gender-Tender*

130730_Vorständin

Zunächst einmal fragen wir uns, warum das Wort Vorständin hier in Anführungszeichen gesetzt wird. Weil sich die Redaktion von n-tv unsicher ist, ob das ein deutsches Wort sei? Es ist ein deutsches Wort, eines mit Lorbeeren. Seit dem 4. Juli steht es im Duden. Sie glauben das nicht? Lesen Sie die 26. Auflage, Seite 1152.

Warum mich das Wort aufregt? Weil es in den Duden reingepresst wurde ohne Sinn und Verstand. Weil die Diskussion um eine geschlechterneutrale Sprache der Redaktion des Duden den Griffel führte.

Fangen wir an. Wir haben das Wort Vorstand. Das Wort trägt – um Gottes willen, es tut uns Männern leid! – männliches Geschlecht. Der Vorstand. Vor Augen sehen wir Herrn! Löscher (nicht mehr lange) oder Herrn! Ackermann oder Herrn! Winterkorn. Männer. Um Himmels willen!

Ist aber irreführend, da Vorstand nicht den Kerl Vorstand meint, sondern ein Gremium, ein geschlechtsmäßiges Neutrum also, rein sprachlich: das Gremium. Es sind Männlein wie Weiblein … ähhhh, Weiblein wie Männlein in persona, auch bei der Bahn, auch bei Siemens.

Die (!) Leitung des Unternehmens, das ist der (!) Vorstand. Das Gremium als Ganzes. Die Personen, aus denen sich der Vorstand zusammensetzt, sind nicht etwa Vorstände, Herr Professorin!, sondern Vorstandsmitglieder. Das Mitglied, Neutrum. Wenn Herr Löscher sein Gremium einberief, schrieb er sicherlich nicht: Liebe Vorstände …!, sondern Liebe Mitglieder des Vorstands … Wäre nicht Herr Rummenigge, sondern seine – fiktive – Schwester Edeltraud Leiterin des Vorstands des FC Bayern München, hieße sie nicht Vorständin, sondern Vorstandsvorsitzende.

Auf ein neutraleres Gebiet gezogen: Der Kirchenvorstand besteht aus neun Mitgliedern, davon sind fünf Frauen. Keine der Frauen, auch wenn sie in der Überzahl sind, würde sich Kirchenvorständin nennen lassen, sondern Mitglied des Kirchenvorstands, oder?

Und warum ruft niemand nach dem Gender-Gegenwort zu Boss, der Boss? Die Bossin, die Bössin? Ich ahne es: Das Wort Boss klingt eher nach Abzocke und menschenunwürdiger Unternehmensführung, nach Boxringpublikum und Hinterhof-Autowerkstatt. Da will man sich als Frau nicht tummeln. Einmal ganz abgesehen von den Schimpfwörtern, die alle noch ihrer Eingenderisierung harren, Sie Ärschin! (Entschuldigung, das musste mal erwähnt werden.) 

Ich rufe Sie jetzt dazu auf, eine Lichterkette zu bilden. Ja, Sie, männlicher Leser. Wir fordern die Einführung des Begriffs Leitunger. Für den Mann in leitender Funktion. Die Leitung, das ist uns einfach zu weiblich …
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
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Die Überschrift ist sinnfrei. Das Wort Tender kam mir nur in den Sinn, weil es sich auf Gender reimt. Das Wort stammt aus dem Englischen und meint dort zärtlich, liebevoll, empfindlich. Elvis: Love me Tender … Aus dem Englischen kommend, haben wir noch das Nomen Tender erhalten; es wird aussterben. Der Tender ist der Kohleschleppwagen hinter Dampflokomotiven, oder um es mit dem Duden zu sagen: Anhänger der Dampflokomotive, in dem Brennmaterial und Wasser mitgeführt werden. Und das passt doch zur Bahn.

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