Goethe und das Komma

Goethe, unser aller alter Dichterfürst, der Gute, der Immerzitierte, der Volksmundspruchproduzent erster Ordnung, er hängt auch in meinem Hotel in Bünde, Ostwestfalen. Also, nicht der Herr JWG. Sondern einer seiner Sinnsprüche. Dieser nämlich: Ein Mädchen und ein Gläschen Wein, die lindern alle Not, und wer nicht küsst und wir nicht trinkt, der ist schon lange tot! Sinnvoll platziert, das Sprüchlein im Eingang des Hotels, rechts geht es zum Restaurant, Thema: Wein, links geht es ins Hotel, Thema …

Schürft der Spruch tief? Nein. Er könnte auch bei 1,7 Promille vom Taubenzuchtvereinsvorstand Rödinghausen-Ost kreiert worden sein, bevor der einen Schoppen nachfordert, und die Kellnerin vom Wirt vor den tätschelnden Übergriffen der Herren geschützt werden muss.

Bemerkenswert finde ich diesen Spruch aus einem anderen Grund. Kommasetzung. Jaja, mit so etwas befasse ich mich. … und wer nicht küsst und wer nicht trinkt … Muss da nicht ein Komma rein, zwischen küsst und wer?

Muss nicht. Denn es folgt zwar nach … und wer nicht küsst … ein ganzer Satz mit Prädikat und Subjekt (was für ein Komma spräche). Aber dieser Satz ist Teil einer Reihung, einer Aufzählung und nicht sonderlich untergeordnet. Also: ohne Komma. Danke, Johann Wolfgang, dass ich das hier mal an Ihnen darlegen darf …

Hey, und dann verifiziert der Journalist in mir, der alte misstrauische, mal den JWG. Ein wenig plump klingt er ja. Und was ergibt die Recherche? Falsches Zitat, ohjesses! Ein Mädchen und ein Gläschen Wein kurieren alle Not, und wer nicht trinkt und wer nicht küsst, der ist so gut wie tot!

Warum ersetzt jemand kurieren durch lindern? Hey, Plakatmaler, lindern und kurieren sind etwas sehr Unterschiedliches. Das eine nimmt etwas leicht weg; das andere schafft ab. Das eine ist der stete Gang in die Apotheke, das andere das Entlasspapier aus dem Spital ….

 

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