Große Hexerei

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Wenn Sie heute auf der Straße einen Farbigen als Neger bezeichnen, stößt man Sie zu Recht an und deutet Ihnen, dass dieser Ausdruck nicht mehr zeitgemäß sei. Politische Korrektheit hat sich durchgesetzt, und das ist auch gut so: Hey, Neger – das geht nicht! Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger – Herrn Lübke unterstellt, war schon in den Sechzigern ein Affront.

Nun aber hat die Phalanx der berufsmäßig Politisch-Korrekten aufgeheult und es so weit gebracht, dass aus Otfried Preusslers Kleiner Hexe das Wort Neger getilgt wird. In der Neuauflage kommt das Wort nicht mehr vor. Wird es ersetzt durch Farbiger? Nein, es wird einfach gestrichen. Die Agentur dpa schreibt dazu dies, nachzulesen auf spiegel.de. Otfried Preussler, heute 89 Jahre alt, habe eingesehen, dass man mit der Zeit gehen müsse.

Ehrlich gesagt, finde ich das ungeheuerlich. Ich finde es ungeheuerlich, einen tiefen Knicks zu machen vor dem Zeitgeist. Ich finde es ungeheuerlich, aus einem Klassiker der Literatur einfach so Wörter zu streichen, weil sie 55 Jahre nach dem Erscheinen des Werks nicht mehr korrekt sein sollen. Was soll den bitte passieren, wenn der lesende Nachwuchs mal das Wort Neger hört? Mama kann man sagen, dass man früher mal Farbige als Neger bezeichnete. Na, und?

Schauen wir in den Duden. Der warnt in einem Kasten mit diesen Worten: Die Bezeichnung Neger gilt im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend und wird deshalb meist vermieden. Als alternative Bezeichnungen fungieren Farbige[r] sowie Schwarze[r], wobei die Bezeichnung Schwarze[r] z. B. in Berichten über Südafrika vermehrt anzutreffen ist, wohl um eindeutiger auf die schwarze Bevölkerung (im Gegensatz zu den Indern etc.) Bezug nehmen zu können. In Deutschland lebende Menschen dunkler Hautfarbe haben die Ausweichbezeichnung Afrodeutsche[r] vorgeschlagen. Diese setzt sich immer mehr durch.

Ok, darf man durchgehen lassen. Aber das bezieht sich auf die Zehnerjahre des 21. Jahrhunderts, nicht auf Werke aus dem Jahr 1957.

Und was ist dann mit dem herrlichen Schaumgebäck, dem Negerkuss? Geht auch nicht mehr. Der Duden, ebenfalls im Kasten: Wegen der Anlehnung an die diskriminierende Bezeichnung Neger sollte das Wort Negerkuss ebenfalls vermieden und durch Schokokuss ersetzt werden.

Irrsinn! Weil ein Wort auf dem Index steht, warnt man vor allen Wörtern, die dieselbe Wurzel haben. Ich will einen Negerkuss! Und ich will sagen dürfen, dass ich den Sarotti-Mohr, einen meiner Helden aus den Sechzigerjahren, klasse fand. Oder nennen wir den jetzt Sarotti-Farbiger?

Nachtrag, 8. Januar 2013: Die geschätzte Süddeutsche befasst sich sehr lesenswert mit dem Thema. Lesen Sie hier. 

 

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