Was soll das mit dem Kindle?

Das ist er, mein Kindle3, auf dem ich seit ein paar Monaten viel lese. Und da es immer wieder Menschen gibt, die (a) wissen wollen, was es damit auf sich hat oder (b) bilderstürmerisch den 44. Untergang des Abendlands beklagen ob all dem digitalem overkill oder so, hier mal die Vorteile in Violett und die Nachteile des Geräts in Orange.

1. Was ist der Kindle denn überhaupt? Der Kindle ist ein digitales Lesegerät von Amazon, auf dem sich Bücher oder Zeitungen und Zeitschriften speichern und lesen lassen. Einige tausend Bücher. Jaja, geht alles auf den Kindle. Kostet 139 Euro, in der einfachen Art, 189 Euro in der Mehrkönnen-Version, bald soll ein neuer Kindle für deutlich weniger Euro auf den Markt kommen, zu beziehen über Amazon. Die Bücher, die man herunterlädt, sind preiswerter als die gedruckten. Näheres hier, wie immer durchgewikit. Nachtrag am 24. September 2014: Es gibt neuere Kindes. – und sagen Sie bitte kindel, nicht keindel.
Nachtrag, 10. Oktober 2011: Der Kindle für 99 Euro ist da, Informationen finden Sie hier.

2. Ist das komfortabel? Ja, man gewöhnt sich sehr schnell an das Blättern per Tastatur. Die Navigation im Buch oder in der Zeitschrift lernt man intuitiv.

3. Lesbarkeit des kleinen Bildschirms? Auch am Strand mit starker Sonneneinstrahlung keine Probleme – im Gegenteil: Man hat das Gefühl, dass es sogar besser geht als mit Gedrucktem auf Papier.

4. Batterieleistung? Mein iPhone 3GS, bald: 4S, hält bei regelmäßiger Beanspruchung vielleicht sechs Stunden durch, bis es nach einer Steckdose lechzt; der Kindle mehrere Tage bei Dauerbelastung. Ich habe noch nie ein digitales Gerät besessen, bei dem die Frage der Stromversorgung so wenig eine Rolle spielte.

5. Eselsohren machen oder ankreuzen im Buch? Sie können jede Passage des Gelesenen ankreuzen und mit exaktem Verweis und Ihren Anmerkungen in Ihre Merkliste legen. Digital ist derlei Komfort überhaupt kein Problem.

6. Wie kommt Buch zu Kindle? Herunterladen. Geht fix. Zwei Klicks. Mein Kindle ist mit meinem Amazon-Konto verbunden; der Rechnungsbeleg kommt per E-Mail. Will ich kaufen, drücke ich den BUY-Knopf; drücke ich den TRY-A-SAMPLE-Knopf, schickt mir Amazon eine Leseprobe von vielleicht zwanzig Seiten auf den Kindle, kostenlos. Übrigens 01: Das geht weltweit, wenn ich in einem WLAN bin. Übrigens 02: Das komplette Oxford Dictionary ist vorinstalliert, kostenlos.

7. Einmerkfäden? Lesen Sie zwei Bücher parallel, greift der Kindle immer auf die zuletzt gelesene Stelle zurück. Und: Natürlich können Sie – ey, alles digital! – nach Wörtern im gesamten Buch suchen.

8. Auf welcher Seite bin ich denn? Für mein Lesegefühl muss ich wissen, wo ich bin im Buch. Was Sie früher vielleicht ablasen an der Dicke des Buchs (ungefähr ein Drittel habe ich schon …), sagt Ihnen der Kindle mit einer Prozentanzeige: 74 Prozent des Buches liegen hinter Ihnen.

9. Klo-Fähigkeit?Meine Zeitung kann ich überall lesen: Der Hilferuf der Generation Druckerschwärze. Ich sehe Sie die ZEIT auf der Toilette in Ruhe lesen? Wirklich? Der Kindle ist dort unschlagbar. Ehrlich!

10. Service von Amazon. Überragend! Ich habe zwei Kindles aus Unachtsamkeit nicht so behandelt, wie es der Bildschirm vertrug. (Der aktuelle auf dem Bild hat eine härtere Hülle, 23 Euro). Ich hatte binnen zweier Tage einen neuen Kindle – und alle Bücher, die auf den Bruch-Kindles waren, befanden sich auch auf den jeweils neuen Kindles. Und nein, keinen Cent von Jeff Bezos, dem Chef von Amazon, für diesen zehnten Punkt…

Nun kommen die Nachteile des Kindle und die unerlässliche Diskussion mit den Skeptikern.

1. Verfügbarkeit von Buch und Zeitung. Mies. Oder freundlicher: viel Luft nach oben. Die FAZ gibt es werktäglich, die ZEIT wöchentlich. Ich warte auf die SÜDDEUTSCHE und den SPIEGEL.
Buchangebot in deutscher Sprache? Eher eingeschränkt. Man muss schon suchen. Auch wenn die kindle-interne Suche im Amazon-Rechner 43.938 (Stand heute) deutschsprachige Bände auflistet. Sehr viel Anspruchsvolles ist nicht dabei. Aber: Duden- und Wahrig-Wörterbücher lassen sich laden und prima suchen, blättern und markieren. Und: Es gibt eine große Anzahl klassischer Werke für null Euro, deren Rechte abgelaufen sind. Nachtrag am 24. September 2014, also drei Jahre nach dem Schreiben dieses Textes: Dieser Punkt ist Makulatur. Daher ist er nun in Violett gefärbt, steht aber noch unter Nachteilen.

2. Bilder. Die ZEIT kommt ohne Bilder, die FAZ ebenfalls. MAX UND MORITZ (umsonst geladen, Rechte abgelaufen) zeigt die Bilder nur in Schwarz-Weiß, weil das Display nicht mehr kann.

Die Diskussion mit den Kulturskeptikern.
(1) Ein Buch muss haptisch sein. Haptik steht für den voll der Seufzer vorgetragenen Satz Ich muss es anfassen können. Das muss jeder für sich entscheiden. Reisen Sie doch weiter mit Übergepäck und lassen Sie den Staub Besitz ergreifen vom Billy-Regal … ja, das Regal, in das Sie zuletzt 1989 genauer geschaut haben, als Sie die bunte Suhrkamp-Reihe nach Regenbogenfarben ordneten!
(2) Ein Buch ist so etwas Wertvolles, das kann nicht digital sein (schwerer Seufzer, kulturbeflissenes Augenverdrehen, Ohne meine Bücher kann ich nicht, das Buch ist etwas sooooooo Persönliches!, abermals schwerer Seufzer, kulturbeflissenes Augenverdrehen). Dann halt nicht. Willkommen im Gestern! Haben Sie das nicht auch bei Schallplatten gesagt, als die CDs dräuten?
(3) Wir können doch den Buchhändlern nicht den Job wegnehmen. Wenn ich ehrlich bin: Meine letzte Beratung in einer Buchhandlung fand statt zu DM-Zeiten. Und die Suche nach etwas Leichtem für meine Mutter, etwas Kulturvolles, aber nicht zu dolle, nicht zu spannend, aber auch nicht langweilig, so richtig weihnachtlich eben! beantwortet mir meine Mutter mit Buchtipps aus der FAZ, der analogen, papiernen, abonnierten.
Gegenfrage: Ohne es gelesen zu haben: Sind denn die Schossgebete unbedingt ein Werk, das man im Regal stehen haben will?
(4) Und die wertvollen Bildbände und Bilderbücher und Kochbücher? Kaufen Sie die in den Buchhandlungen! Die sind nichts für den Kindle …

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