Koeppen und das Morgenrot

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Schauen Sie mal, lesen Sie mal! Einen Text, der beginnt mit einem einfachsten Satz: Um fünf kam das Morgenrot. Danach erwarten Sie etwas wie: Ich hatte verschlafen. Oder: Herrlich, dass ich das erleben darf. Oder: So rot war es nie in den 44 Jahren, in denen Huber sich an Morgenröte erinnern konnte. Einmal lediglich, genau einmal, 1976 in Griechenland …

Wolfgang Koeppen, der große Wolfgang Koeppen (für jene, die statt der Gymnasialzeit im Café waren, auf Partys oder beim Namentanzen: hier lesen) startet danach einen 63-Wörter-Satz, den man nur bewundern kann. 63 Wörter! Machen Sie das mal so, dass alles stimmt, dass der Rhythmus perfekt ist. Meine Hochachtung, Herr Koeppen!

Und dabei – oh, Wunder! – ist der Satz noch ein abgehackter. Als Kind hat er gegrübelt., was denn passieren würde, wenn die Sonne nicht wieder aufginge. Er kommt zu keinem Ergebnis. Er beschreibt nur den Zustand totaler Finsternis. Denn auch die anderen Lichtquellen schienen nicht mehr. Aber er beschreibt nicht, was dann wäre …

Großartig! Nun ja. Wenn Sie als Lektor einen solchen Text auf den Tisch bekämen, was täten Sie? Dranschreiben: Na, und, was dann, Herr Autor? Oder so lassen?

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