Piroschka kocht

130801_Speisekarte

Österreich, Burgenland, Grenzregion zu Ungarn. Herrliches Land, und man isst gut. Eine Leserin – danke, Frau L. – fotografierte für mich den Auszug aus der Speisekarte, da sie weiß, dass ich solche Vorlagen schätze. Genauerer Fundort: Heiligenbrunn, Südburgenland, circa zwanzig Kilometer bis zur ungarischen Grenze. Schauen wir mal der Reihe nach durch, und ich schaue mir dies ohne jede Überheblichkeit an. Ich mag so etwas. Und ich weiß, wie schwer es ist, Ungarisch zu lernen. Neben Türkisch und Finnisch ist Ungarisch sicherlich eine der schwersten Sprachen überhaupt. Alle drei gehören zu den sogenannten agglutinierenden Sprachen. Die habe ich schon einmal erwähnt; schauen Sie bitte hier.

(1) in paprika’sch. Ich glaube, die Ungarn sagen paprikaš, sprich: paprikasch, zu Paprika. Wenn sie ein Adjektiv daraus bilden, kann es halt vorkommen, dass sie ’sch anhängen. Wie in kafka’eschk. Ich schmunzele leicht, wenn Piroschka kocht. Piroschka? Ja, diese Dame – die Schweizerin Liselotte Pulver übrigens  – entwarf in den 50ern das Ungarn-Bild der Deutschen. Lesen Sie hier. Nun gut, die Piroschka siedelte in der – vollungarischen – Puszta, in einem Ort, der sich liest wie ein Stück von der Speisekarte im – halbungarischen, rein passlich: österreichischen – Burgenland, in Hódmezővásárhelykutasipuszta nämlich. Anmerkung: Es gibt Momente, in denen ich sehr froh bin, dass jemand vor Jahrzehnten die Kopieren-Einsetzen-Funktion erfunden hat. Stellen Sie sich vor, ich hätte den Namen des Orts aus Wikipedia abtippen müssen.
(2) Die Riesengarnele bekommt ein zweites L. Mal ehrlich, muss ich im Burgenland Garnelen essen? Gibt es – gefühlt – einen Ort in Europa, der weiter entfernt von einem Meer ist als das Burgenland? Gibt es Garnelen im Neusiedlersee? Und kann ich dann erwarten, dass der Kartenschreiber weiß, wie die Garnele aus dem Eismeer kommt? Können Sie sich einen Austria-Ungarn vorstellen oder einen Madygar-Austriaken, der das Wort spricht? Da fummelt sich leicht ein zweites L rein. Nachsicht, bitte …
(3) Die jydische Entenleber entzückt mich wirklich. Auch eine Art, das Wort jüdisch zu schreiben, oder? Es kann aber auch sein, dass das Schreibprogramm, das ungarisch-österreichische, das Ü immer für ein als ein Y ausgibt. Das wird die Erklärung sein. Ich schmunzele. Die Übersetzungsmaschine von Google übrigens wirft für Zsidó kacsamaj was aus? Jüdische Entenleber.
(4) Bei all dem wundere ich mich dann, wie der Speisekarten-Schreiber Satzteile wie welche wir mit einer Gabel zerdrücken … – knackiger Blattsalat … – Sauerrahmhäubchen … – dies servieren wir mit getoasteten … zu Stande gebracht* hat. Mit dem Google-Übersetzer? Herrlich!
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Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
* Ob Sie etwas zustande bringen oder zu Stande bringen ist mir egal, dem Duden auch. Nur zustandebringen sollten Sie nichts. Aber: Ich sehe das Zustandekommen eines Weiterkommens noch nicht. Ganz mieses Deutsch, das gebe ich zu, aber kein falsches.

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