Einmal Negerkuss mit Zigeunersauce, bitte

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Mein Freund Schnuckenack, der Zigeuner, sagt, ich mach Dir eine Fantasie // und dann zeigt er mir sein rechtes Bein, ganz aus Leder bis unters Knie // das geschah ihm in Mauthausen, war ein Unfall der SS // zwischen Schüssen musst er tanzen, und sie riefen ‚So ist Jazz‘. Dieses Lied des sehr geschätzten André Heller fiel mir ein, als ich in den Mitteilungen des Vereins Deutsche Sprache (VDS) dieses las: Der Verein „Forum für Siniti und Roma“ in Hannover hat fünf große Lebensmittelhersteller dazu aufgefordert, die „Zigeunersauce“ umzubenennen. Der Anwalt des Vereins, Dündar Kelloglu, sieht Parallelen zur Bezeichnung „Negerkuss“, die nicht mehr verwendet werde, weil Menschen mit schwarzer Hautfarbe dadurch diskriminiert worden seien.

Die Diskussion um den Negerkuss hatten wir; die Diskussion um den Negerkönig hatten wir auch. Lesen Sie hier. Und ehrlich gesagt, bin ich es leid, dass immer jemand rituell aufschreit, wenn er meint, die Deutschen und die deutsche Sprache diskriminiere jemanden.

Niemand würde im Fernsehen einen Sinto oder Roma offiziell Zigeuner nennen, niemand käme heute auf die Idee, Sinti und Roma allgemein als Zigeuner zu bezeichnen. Aber bei hergebrachten Bezeichnungen wie es nun mal das Schnitzel, die Soße, die Musik der Zigeuner ist, lassen wir bitte die Kirche im Dorf.

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Links sehen Sie eine Aufstellung der Begriffe, die die digitalen Duden-Bände offenlegen. Und ja, man darf auch weiterhin sagen: Mein Sohn führt ein Zigeunerleben. Man darf eine Zigeunerkapelle bestellen, wenn sie denn in der Tradition der Schnuckenacks steht und sich selbst so bezeichnen. Die Platten von Schnuckenack Reinhardt liefen noch in den 70ern namentlich als Zigeunermusik. Und jemanden, der nicht sesshaft lebt, als Zigeuner zu bezeichnen, muss statthaft sein. Wenn ich über meinen fiktiven Onkel Alois sage, er zigeunere herum, darf ich das, ohne gleich der Verharmlosung ethnischer Verfolgung verdächtig zu sein.

Gleichwohl ist der Zigeuner auch für den Duden ein Warn-Wort. Ich zitiere: Die Bezeichnung Zigeuner, Zigeunerin wird vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma als diskriminierend abgelehnt. Die gesamte Volksgruppe wird demnach als Sinti und Roma bezeichnet; die Bezeichnungen im Singular lauten Sinto bzw. Sintiza (für im deutschsprachigen Raum lebende) und Rom bzw. Romni (für im europäischen Raum lebende Angehörige der Volksgruppe). Auch in der zweiten, übertragenen Bedeutung gilt die Verwendung der Bezeichnung inzwischen als diskriminierend. Also, wir bezeichnen einen Sinti nie als Zigeuner. Verstanden!

Der Duden schreibt aber auch: Dagegen sind Zusammensetzungen mit Zigeuner als Bestimmungswort noch weitgehend üblich; so verwendet die Sprachwissenschaft die ausdrücklich nicht diskriminierend zu verstehende Bezeichnung Zigeunersprache, um die gesamte Sprachfamilie zu erfassen. Für die gelegentlich kritisierte Bezeichnung Zigeunerschnitzel existiert bisher keine Ausweichform.

Eben. Das lassen wir  mal so. Es ist halt die Art der Zubereitung einer Sauce, Soße oder eines Stücks Fleisch, wie man sie dem fahrenden Volk der Sinti und Roma in Zeiten zugesprochen hat, als das Wort noch keine irgendwie bedenkliche Konnotation hatte. Und heute Abend esse ich ein Nürnberger Rostbratwürstchen mit Mango-Chili-Sauce, bevor ich ein Roma-Schnitzel bestelle.

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