Das Komma an „sich“

140708_sichLesen Sie doch mal bitte, wie fein und überaus doppeldeutig mir heute die Überschrift gelungen ist. Sie verstehen es noch nicht ganz? Dann warten Sie mal ab! Sie nehmen wahr: die Berichterstattung meiner lokalen Netzseite nordbayern.de und darin den Bericht über einen Randalierer in einem Laden.

Sie lesen: Dabei versuchte sich der 31-Jährige aus den Haltegriffen zu entwinden und schlug dem 21-jährigen Beamten mit der Faust gegen die Brust.

Nehmen wir mal das Verb versuchen. Der Duden sieht es in vier Varianten. Variante 1 etwas Schwieriges zu tun beginnen in der Form von Louis van Gaal  versuchte, mit seiner Mannschaft die Argentinier durch maues Spiel zu bezwingenVariante 2 etwas probieren im lukullischen Sinne in der Form von Louis van Gaal versuchte das argentinische Steak; es bekam ihm nichtVariante 3 sich(!) versuchen in der Bedeutung: etwas, in dem man noch ungeübt ist, testen in der Form von Louis van Gaal versuchte sich am Final-EinzugVariante 4 auf die Probe stellen, in einem arg biblischen Sinne in der Form von Louis van Gaal versuchte, mit einem mauen Spiel ins Finale zu kommen. Das hieße aber: den Teufel versuchen.

Zurück zu den Nordbayern: Der Randalierer versuchte sich nicht an einem Befreiungsschlag, er testete nicht etwas, in dem er ungeübt war (Variante 3). Nein, er versuchte etwas Schwieriges (Variante 1), indem er sich gegen die Beamten wehrte.

Das sich steht hier einfach falsch. Es insinuiert die Versuchen-Variante 3, ist aber nur Variante 1 und schreit nach einem Komma. Es steht als Reflexiv zu winden (sich winden) und nicht als Reflexiv zu versuchen: Versuchen wir uns(!) doch mal an dieser Korrektur: Dabei versuchte der 31-Jährige,(!) sich(!) aus den Haltegriffen …

Viel besser, oder?

Und dann, bitte, ein Blick auf das Passiv im folgenden Satz – ich mag das Passiv nicht, das sei noch einmal vermerkt: Als der laut Polizei offensichtlich Verwirrte mit vereinten Kräften unter Kontrolle gebracht worden war … könnten Sie auch lesen wie: … offensichtlich mit vereinten Kräften Verwirrte … und dabei liegt die Lösung so nahe, durch Auflösen des Passivs: Als die Beamten den nach eigenen Angaben offensichtlich Verwirrten … unter Kontrolle gebracht hatten ….

Wird klarer, oder?
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Und nun zur beliebten Serie Deonyme, gestern – heute – morgen.

– Als die Mannen der späteren Firma Audi einen Namen suchten, stießen sie auf die Firma Horch, die man in diesem Zusammenhang eigentlich mit einem ! schreiben sollte: Horch! bedeutet auf lateinisch audi. – Ein paar weltbekannte Autofirmen gaben sich bei der Namensfindung wenig Mühe: Die Gründer stellten sich vor einen Spiegel, zeigten auf den mächtigsten Mann im Werk – und schwups, war der Name gegeben: Enzo Ferrari tat das, Emil Ritter von Škoda, Henry Ford, Louis Renault, Ferdinand Porsche, Nicola Romeo, Charles Rolls und Henry Royce, die Brüder Maserati und Sōichirō Honda ebenso.

– Der Ottomotor ist eine Erfindung des Deutschen Nicolaus August Otto, 19 Jahrhundert; der Dieselmotor wäre nichts ohne den 1858 in Paris geborenen Deutschen Rudolf Christian Karl Diesel, der Wankelmotor nichts ohne seinen Erfinder, den Badener Felix Heinrich Wankel, geboren 1902; und die Kardanwelle, ein Teil des Antriebs, ist nicht etwa ein Stück Technik aus dem 19. oder 20. Jahrhundert, sondern aus dem 16.: Der italienische Gelehrte Gerolamo Cardano baute so etwas zum ersten Mal für Kaisers Kutsche.

– Ein Autohändler namens Emil Jellinek gewann im Jahr 1899 auf einem Wagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft ein Rennen in Nizza. Sein Auto nannte er nach seiner Tochter, der späteren Baronin Mercédès Adrienne Ramona Manuela von Weigl. Und nun raten Sie mal, wie Mercedes zu seinem Namen kam? Auch hier: ein Vornamens-Deonym.

Deonyme morgen: rein Lukullisches.

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