Ey, Genosse, du da, Du ….

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Ich darf das öffentlich machen. Dieses Schreiben, das Mitglieder-Votum, ging an mehr als 400.000 Mitglieder der SPD; einer hat das Papier in Facebook abgedruckt. Und wir sind schon ganz froh darüber, dass die SPD-Granden nicht das dämliche Wort Vote für die Wahl nutzen. Ey, Genossinnen und Genossen, nun seid ihr dran im großen Government-Voting für die neue Administration …

Nachdem die SPD schon einmal in ihren schriftlichen Äußerungen gepatzt hat (lesen Sie bitte hier), schauen wir uns dieses Schreiben genau an.

Erste Erkenntnis: Fehlerfrei. Bravo!

Zweite Erkenntnis: Die Parteiführung redet ihr zahlendes Volk nicht mit Genosse an, sondern mit Vornamen. Löblich! Dass man sich duzt in diesen Kreisen, steht außer Frage. Wäre ich Parteimitglied, stünde es mir zu, Helmut Schmidt zu duzen. Ich käme indes nie auf die Idee – (a) Mitglied einer Partei zu werden und (b) Herrn Schmidt zu duzen.

Dritte Erkenntnis, und die überrascht mich tatsächlich: Frau Nahles und Herr Gabriel sprechen ihr Wahlvolk mit einem großgeschriebenen Du an, Dir im ersten Absatz und weiter unten Dich.

Lehrer LämpelDas ist die Höflichkeitsform. Ich darf aus Dudens Richtiges und gutes Deutsch zitieren: (1) Die Anredepronomen du, ihr und die entsprechenden Possessive dein, euer werden kleingeschrieben. Anmerkung: Die SPD macht es anders.

Weiter im Duden-Text: (2) In Briefen, E-Mails und SMS ist sowohl die Groß- als auch die Kleinschreibung korrekt (Ich danke Dir / dir fŸür Deinen / deinen lieben Brief! Wie geht es Euch / euch?). Anmerkung: Höflich, höflich, liebe Genossen!

(3) FüŸr Fragebogen (z. B. bei schriftlich fixierten PrŸüfungsfragen) gilt dies nicht; hier schreibt man du, dein usw. wie sonst klein. Anmerkung: Uhhhaa, hier wenden sich Frau Nahles und Herr Gabriel gegen die Konvention – sie bleiben höflich. Oder geht es hier nicht um Prüfungsfragen?

(4) Groß schreibt man das Possessiv bei historischen Titeln wie Exzellenz, Hoheit, Durchlaucht u. €.: Euer (Eure) Exzellenz, Euer (Eure) Hoheit, Euer (Eure) Durchlaucht; ebenso in der 3. Person: Seine Majestät, Seine Heiligkeit, Ihre Kšönigliche Hoheit. Anmerkung: Hallo Duden, wir reden von der SPD, nicht von einer monarchistisch angehauchten, klandestinen Bewegung!

Steht aber dies unter dem Strich: Wir wundern uns, und wir empfehlen eigentlich generell, in Briefen die Anrede Du großzuschreiben.

Und dennoch muss man sich über zwei Kleinigkeiten dieses Schreibens wundern.

(1) Das Mitgliedervotum geht seit ein paar Tagen durch die Presse; keine Nachrichtensendung ohne einen Hinweis darauf. Die Unionsparteien haben – mit anderen Gremien – dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Die Nation wartet auf das Ergebnis der SPD-Basis. Von ihm und von ihr – vom Ergebnis und von der Basis – hängt das Schicksal des Landes in einer Legislaturperiode ab. Muss man da erwähnen, dass das Mitgliedervotum verbindlich ist? Na, bitte, was denn sonst? Oder steht Ede Kadlewski, Bochum, Wahlmann Nummer 345.374, am 15. Dezember auf und sagt: Mein Votum war nicht verbindlich – ätschbätsch! Und die SPD samt der Nation stürzen in eine tiefe Krise.

(2) Den Hinweis nur eine nicht nur zu fetten, sondern auch zu unterstreichen, zeigt die Wertschätzung, die die SPD-Führung den geistigen Fähigkeiten ihrer Mitglieder entgegenbringt. Die 400.000 haben die Wahl zwischen JA und NEIN. Unterstellt Frau Nahles einem ihrer Leute wirklich, er würde vor beiden Wörter ein Kreuz machen? Ist die Auswahl zwischen JA und NEIN wirklich so schwierig? Und wenn sie so schwierig sein sollte, muss Frau Nahles sich fragen lassen, welche Personen wes Geistesgrades hier über das Land bestimmen … oder?

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