Restringierter Code im Soziolekt

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Verstehen wir das? Oder anders herum gefragt:  Verstehen das Menschen, die diese Stellenangebote nicht ansprechen sollen?

Die Deutsche Telekom und Gruner + Jahr (dafür steht G+J) suchen also Menschen, besser: drei Manager (Content, International Sales und Fach-Senior). Und schalten dafür Anzeigen in Stepstone, einem großen Portal für Suchende; und sie schaffen es, in drei aufeinanderfolgenden Stellenangeboten exakt ein einziges deutsches Wort zu platzieren: Fach, gleich am Anfang, erstes Wort.

Kann zweierlei heißen:
(1) Verlag und das Telekommunikationsunternehmen, beides Unternehmen der Kommunikation, schaffen es nicht, ihre Kommunikation so zu gestalten, dass alle es verstehen.
(2) Sie wollen nicht, dass sie verstanden werden. Die beiden Unternehmen senden sozusagen geheime Botschaften aus, die nur jene verstehen, die auch angesprochen sind, also: Contentler, International Saler und Fach-Senioren. Dann ist das schlau. Die Unternehmen arbeiten mit einem Soziolekt, einer Sprache, die nur von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe verstanden wird: restringierter Code in einem Soziolekt.

Na bravo! Übersetzen wir doch mal:
Fach-Senior-Mensch im Gebiet Anwender-Erfahrung beim Fernsehen über das Internet (IPTV). Der muss Erfahrung haben im Umgang mit Nutzer-Erfahrungen mit dem Internet, darf ruhig älter sein, also über 35, (Senior) und muss bereit sein, in Darmstadt zu leben.
Inhalte-Mensch für den Apple Store (AppStore). Der also sorgt dafür, welche Inhalte in den AppStore kommen. Vorteil01: Arbeit mit dem iPhone oder iPad, Vorteil02: cool; Nachteil: Darmstadt.
Internationaler Verkaufs-Mensch (Verkäufer) für die internationalen Marken (brands) von Gruner + Jahr. Qualifikation: Muss wohl Englisch können, verhandlungssicher (international) sein und ein guter Verkäufer. Könnte auch schon mal als AppStore-Mensch in Darmstadt gearbeitet haben können; Vorteil: Hamburg!

Qualifikation für alle drei: Abgeflachte bis spitze Schuhe mit den beiden auf die Spitze zulaufenden Nähten. Stylische Brille, etwas szenig, aber durchaus schon angepasst, Facebook-Profil (gesäubert von den Exzess-Bildern der frühen 20er Jahre) und ein Xing-Profil mit den gesamten Schlagwörtern der digitalen Zeit. Und Sätze im Gepäck, die lauten können: Ich finde New York einfach inspirierend oder Ich lasse meine Seele auf Mauritius baumeln, kann aber nicht leben ohne einen guten Job mit einer karriereorientierten Challenge in einem qualifizierten Team.

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