Unter Druck

130820_Ingolstadt

Sie sehen einen Ausschnitt aus dem Blog des Donaukuriers von gestern. Der Donaukurier erscheint in Ingolstadt, und Ingolstadts Rathaus stand gestern neun Stunden lang im Brennpunkt. Ein Stalker* meinte, eine Frau dort festhalten zu müssen, mit vorgehaltener Pistole, und ein paar andere Menschen gleich mit.

Der Donaukurier, die lokale Zeitung, berichtet darüber in einem Blog – einem Weblog, einem Logbuch im Internet – direkt vom Rathausplatz. Das macht man heute so. Ich habe dieses Blog – Blog ist sächlich, das Logbuch! – tagsüber gelesen und fand es gut, was die Kollegen dort gemacht haben. Sie waren sogar so offen zu sagen, dass alles sehr langweilig geworden war, weil nichts passierte. Und sie sagten irgendwann, dass ein heftiges Gewitter die Gaffer vom Platz vertrieben hatten. 

Gegen 19 Uhr war das Drama dann vorbei, der geiselnehmende Stalker verletzt, die Geisel körperlich unversehen. In der Pressekonferenz sagte der Vertreter der Einsatzkräfte, dass es auch drum gegangen sei, die Forderungen des Manns mit der Klatsche zu erfüllen. Sepp Mißlbeck, der in dem kleinen Ausschnitt erwähnt wird, ist nicht nur der dritte Bürgermeister von Ingolstadt, sondern auch einer der Geiseln. Und dann steht da: Außer den bereits genannten Gründen war Sepp Mißlbeck auch freigelassen worden, das Forderungen des Täters erfüllt worden waren: Essen und Zigaretten. 

Dieser Satz ist natürlich Blödsinn, grammatikalischer und syntaktischer. Und wissen Sie was? Es ist mir vollkommen egal. Wer so unter Druck arbeitet, wer den Geiselnehmer im Rathaus hat und eine aufgeregte Truppe in der Redaktion, darf nach neun Stunden Fehler machen: Da sitzt jemand, dessen Getipptes direkt ins Netz gestellt wird – und dies wird bundesweit gelesen, von allen Redaktionen. Wann war Ingolstadt jemals unverhofft so massiv in der Öffentlichkeit?
________________________________
Non scholae … Unterm Strich was fürs Leben
*
 Die deutschmeisterei wendet sich ebenso wie ihr Print-Parallelorgan, Der Deutsche Sprachkompass, gegen Anglizismen in der deutschen Sprache. Das Wort Stalker, das nominalsierte Verb Stalking: reine Anglizismen. Das Standardwerk der Anglizismus-Gegner, der Anglizismen-Index, sagt, das Wort sei verdrängend, es verdränge also gute deutsche Wörter – Alarmstufe Rot für den Index. Da bin ich anderer Meinung. Die Vorschläge des Index‘ lauten: Nachsteller, Prominentenhetzer. Mit Verlaub, beide Wörter haben nicht die Kraft des englischen Worts. Stalker sei bitte willkommen in der deutsche Sprache.

*Anzeige: Die Seite enthält Links zu mehreren Webseiten, auf denen Sie Bücher bestellen können. Hierbei handelt es sich um Werbung. In eigener Sache zwar, aber Werbung bleibt Werbung, weshalb ich Sie an dieser Stelle darauf hinweise.