Wia kimmst denn zur Wiesn?

Jetzt kommt eine Durchsage für die Bewohner nördlich des Mains. Und für Baden-Württemberger. Und für bayerische Schwaben. Und auch für Franken: Alle mal weglesen!

Denn warum das Oktoberfest, in trinkenden Fachkreisen nur Wiesn genannt, auch so heißt, interessiert eigentlich nur diejenigen, die in München um den Festplatz herum wohnen. Solange sie nicht auf ebendiesem Gelände lallen. Das Gelände von 42 Hektar, eine Sondernutzungsfläche, heißt stadtplantechnisch genau Theresienwiese.

Seien wir also ehrlich: Das, was jetzt kommt, interessiert eigentlich niemanden. Zumal das, was noch in Hochdeutsch vielleicht als Wiese verstanden wird, im Originalzustand mit einer Wiese mitten München nichts zu tun. Im Originalzustand ist der Platz ein Parkplatz, gepflastert. Da wächst nichts. Da ist nichts wie eine Wiese. Und wie eine Wiesn schon gar nichts. Gestehen wir den Oberbayern und anderen Anrainern also zu, dass sie der Name ihres Fests (a) nicht interessiert und (b) das Dings einfach – in oberbayerischer Mundart – Wiesn heißt und nicht Wies’n und schon grad gar nicht Wiese.

Und so wie Herr Ude, Münchens Oberbürgermeister, alljährlich mit dem Hammer in der Hand O zapft is ruft, so hole ich meinen stärksten Hammer raus, den Duden. Der schreibt nämlich: In folgenden FŠällen darf der Apostroph nicht weggelassen werden, wenn er bei Worttrennung zum letzten Zeichen auf einer Zeile wird: ein‘-ge, Grimm‘-sche [MŠärchen], Ku‘-damm. Demnach sollte es Wies’n heißen, Wies’n, mit Apostroph. Das Auslassungszeichen muss stehen!

Nach der dritten Maß zu Hause schaue ich noch einmal genauer ins Glas … ähhh … in den Duden. Da heißt es auch: Der Apostroph steht nicht, wenn im Wortinnern ein unbetontes -e- wegfŠällt und die entstehende Wortform allgemein gebräŠuchlich ist. Gut, allgemein gebräuchlich bei sechs Millionen Alkoholikern – zugestanden. Sogar die Tagesschau berichtete über den Anstich am Samstag. Noch stärker aber ist dieses Argument aus dem Duden: Es gilt weiter füŸr Wšörter und Namenformen dialektaler Herkunft: Brettl, Dirndl, Rosl usw.

Ist ja gut! A Ruh is, Burschn!

Nachtrag, 26. September: Und da derzeit, bundesweit, alles auf die Wiesn eingestellt ist – sogar im niedersächsischen Worpswede wird man um eine Weißwurst oder Werbung für dieselbe oder mit derselben nicht umhinkommen – passiert dann auch das, was ich zwei Tage später gefunden habe. Die Agentur München Ticket nennt ihren Rundbrief Riesn-Gaudi. Nehmen wir es als Titel, der, wie eine Firmen- oder Eigenname, nicht zu kritisieren ist. Und Gaudi, das machtvollste aller bayerischen Kraftwörter, das auch noch in Worpswede verstanden wird, tut ein übriges, um um Nachsicht zu bitten. Aber natürlich fällt das Wort Riesn nicht unter den Artenschutz bayerischer Wörter wie Brettl, Dirndl, Rosl. Warum sollte es? Weil es sich so auf Wiesn reimt? Und dann sagen Sie mir bitte noch zu welcher Wortart das Wort Riesen hier gehört. Ist es der erste Teil eines Nomens wie in Riesenrad, Riesengebirge? Oder ersetzt es das Adjektiv riesig und mutiert dort zu einem Nomen wie in Riesendummheit, Riesengewinn? Auf jeden Fall, meine Damen und Herren Texter!, halte ich den Bindestrich für eine Riesendummheit …
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